Jablanica – Ravna (1 1/2 h / 230 M aufwärts / 210 M abwärts / 4.7 km)

Wir verabschieden uns von Mostar bei blauem Himmel und sind um die Mittagszeit zurück in Jablanica. Wir können es nicht lassen und besuchen nochmals das Café, welches wir bei der Ankunft vor einer Woche auch schon als erstes aufgesucht haben. Ein Stammgast erzählt, dass der Wanderhund uns am folgenden Tag nochmals gesucht hat, danach aber nicht mehr gesehen wurde.

Der Fluss Neretva fliesst Richtung Mostar

Unsere ‚Zurück-auf-den-Trail‘-Etappe ist ein Müsterchen einer Wanderung. Bereits sm frühen Nachmittag treffen wir schon wieder bei leichtem Regen in Ravna ein. Die Wälder dampfen wie ein Hotpot und ein mystischer Schleier legt sich über die Bergspitzen.

Verhängte Berge bei Ravna

Noch können wir erst erahnen, wie hoch es Morgen gehen wird! Wir schlafen hier im Haushalt einer Familie, alles mit Hilfe von Google-Translator organisiert. Und so funktioniert auch die Kommunikation am Tisch. Ab nächstem Jahr möchte die Familie im umgebauten Via Dinarica Guesthouse fünf Zimmer anbieten, absolut empfehlenswert!

Improvisierte Kommunikation mit Google-Translator

Unser Gastgeber rät uns, noch einen Besuch bei seinem Onkel im selben Dorf abzustatten. Er hat lange in München gelebt und spricht Deutsch. So sitzen wir schon bald in der Stube von Omer und seiner Frau, trinken bosnischen Kaffee und hören Geschichten bis wir komplett eingeräuchert sind! Allgemein wird hier enorm viel und überall geraucht; am Postschalter, in den Restaurants, im Wartezimmer der Arztpraxis und und und.

Kurz vor dem Eindunkeln zeigen sich die Bergspitzen dann doch noch und wir kriechen hoffnungsvoll ins Bett.

Das Prenj-Gebirge lüftet sich

Doch bevor Zeit zum Träumen ist, sitzen wir zusammen mit der Familie Bela beim Nachtessen, der älteste Sohn spricht Englisch und so erfahren wir einiges über das Leben in Bosnien, und zwar nicht nur die Schoggiseite.

Unbeschreibliche Gastfreundschaft bei der Familie Bela
Ravna – Planinarska kuča Jezerce (10 h / 2110 M aufwärts / 610 M abwärts / 20.7 km)

Genau heute vor vier Monaten sind wir in Huttwil gestartet, vermehrt beschäftigt uns das Thema, was nach dem Wandern sein könnte. Aber zuerst müssen wir zurück in den Trail-Rhythmus finden, denn der geplante Abschnitt für Mittwoch ist kein Katzensprung, sondern eher eine Hundewanderung!

Zudem ist über die Pläuschlertage in Mostar der Herbst ins Land gezogen, der Morgen in Ravna ist nebelverhangen und die Luft frisch.

Nebelschwaden als Herbstboten

So kämpfen wir mit dem steilen Aufstieg durch einen dichten Mischwald nach Meduprenje und die Sonne mit den Nebelschwaden. Irgendwann haben wir dann beide gewonnen.

Aufstieg im Tanz der Lichter

Zu unserer Überraschung tönt es einladend aus der normalerweise verschlossenen Hütte, eine Gruppe junger Einheimischer verbringt ein paar Tage hier und bietet uns Tee an. Sie verstehen, dass wir bald weiter ziehen, als wir ihnen unser Tagesziel nennen. Der Weg führt erst noch auf den Greda-Pass und anschliessend über eine einladende Hochebene, teilweise über versäumige Karstfelder, durch Legföhren und auf Saumpfaden. Die beiden Wahrzeichen des Prenj-Gebirges thronen direkt vor uns und die frisch gewaschene Bergkulisse zeigt sich in klaren Konturen mit starker Farbgebung.

Über die lang gezogene Hochebene
Karstfelder-Hüpfen nimmt viel Zeit in Anspruch
Die beiden Gipfel in der Bildmitte stehen Morgen auf dem Trail-Menu
Langsam nähern wir uns den beiden von hinten
Steinige Angelegenheit
Die rot-weissen Punkte führen uns sicher durch das Prenj-Gebirge, welches noch nicht komplett von Minen gesäubert ist

Kurz nach sechs erreichen wir noch vor dem Eindunkeln die Selbstversorgerhütte Jezerce, die Füsse schmerzen seit langem wieder einmal so richtig, die wären wohl lieber in Mostar geblieben!

Die offene Jezerce-Hütte haben wir für uns alleine
Planinarska kuča Jezerce – Rujište (6 1/2 h / 710 M aufwärts / 1250 M abwärts / 17.0 km)

Die klare Vollmondnacht hat einen leichten Bodenfrost hinterlassen, warm verpackt ziehen wir los, um die Aussicht von den beiden Gipfeln Zelena Glava und Otiš zu geniessen.

Aufstieg zum Ausgangspunkt der beiden Gipfel

Noch früh am Vormittag ziehen schon wieder erste Wolkenschwaden über die zahlreichen Bergketten, zum Glück können wir den Weitblick noch bei klaren Bedingungen geniessen.

1. Gipfel: Zelena Glava
2. Gipfel: Otiš
Für das Geschenk von Omer ist nun genau der richtige Moment
Der klare Weitblick wird bald von Wolken abgelöst
Schon wieder beim Abstieg
Ein Alpensalamander bringt sich rasch in Sicherheit. Hier lebt auch der Prenj-Salamander, welcher nur in dieser Region vorkommt.

Weit ist danach auch der Abstieg nach Rujište, nur leicht absteigend führt der Weg über die schöne Hochebene bis zu Bijele Vode und dann etwas steiler durch den Wald nach Rujište. Diese Tour gehört definitiv zur Kategorie Best-of!

Blick zurück zu den Gipfeln Zelena Glava (links) und Otiš (rechts)

Inzwischen ist die Aussicht grau und das Leben im Dorf wirkt etwa so lebendig wie das Fleisch auf dem Teller beim Znacht.

Skeptisch suchen wir das im Via Dinarica-Führer erwähnte Snjezna kuća Motel, doch tatsächlich gibt es das und es ist sogar geöffnet! Für den bosnischen Abschnitt der Via Dinarica (VD) hat der Amerikaner Tim Clancy einen Reiseführer herausgegeben. Ansonsten bietet die App zur VD gute Informationen und Kommentare.

Nur für den bosnischen Abschnitt existiert ein Wanderführer

Noch mehr freut uns, dass wir hier auf Harry aus Holland treffen, unsere 2. reale Via Dinarica-Begegnung. Er geht den Trail umgekehrt, also von Albanien in Richtung Slowenien. Es gibt viel zu besprechen heute Abend, denn ab Morgen geht Harry was wir schon kennen und umgekehrt!

Toller Abend mit Harry
Rujište – Boračko Jezero (7 h / 320 M aufwärts / 970 M abwärts / 27.6 km)

Frühstück gibts offiziell ab 8 Uhr, das heisst für uns ausschlafen. Ist voll o.k., denn wir möchten nur bis zum Boračko-See gehen. Auch Harry steht pünktlich bereit, doch von Personal noch keine Spur. Bald erscheint der Kellner und wir können schon Mal Cappuccino schlürfen. Etwas später setzt sich die Köchin an einen Tisch, trinkt Kaffee und raucht eine Zigarette. Und dann werden unsere Omeletten gebacken. Alles schön der Reihe nach.

Etwas neidisch anerkennen wir, dass hier Zeit eine komplett andere Bedeutung und Macht über die Menschen hat. Können wir ein Stück dieser stressfreien Gelassenheit mit nach Hause nehmen?

Inzwischen lockern sich auch die Wolken am Himmel und kurz vor zehn Uhr sind wir abmarschbereit. So eine Trail-Begegnung muss wirklich ausgekostet werden.

Wir stehen vor der Via Dinarica-Tafel und da sind wir schon wieder zu Dritt! Oh nein, schon wieder ein schwarzer Vierbeiner im Schlepptau, dieser trottet allerdings konsequent vor uns. Wir bleiben jedoch schon viel cooler. Sobald wir eine Pause einlegen, schliesst er sich an. An einer Kreuzung machen wir den ultimativen Nachtrott-Test: Thomas geht links, Sonja nimmt den Weg rechts. Was denkt ihr, wem er folgt?

Wieder im Trio unterwegs

Kurz vor dem See löschen wir in einer Konoba unseren Durst, andere streunende Hunde verteidigen ihr Futterrevier und unser Kollege wird vertrieben.

Die heutige Etappe führt uns mehrheitlich auf Kiesstrassen zum Boračko-See, über eine lange Distanz können wir auf diesen Sommer-Urlaubsort hinab schauen.

Boračko Jezero im Blickfeld
Teilweise werden die steilen Hänge komplett gerodet

Die Gegend ist sehr ländlich, Schafherden, kleine Selbstversorger-Bauernhöfe mit einzelnen Tieren und viele verlassene und zerfallene Häuser prägen das Bild.

Wir kommen vermehrt an kleinen Selbstversorger-Höfen vorbei
Einzelne Kühe weiden ohne Gehege, verfallene Häuser sind allgegenwärtig

Am See übernachten wir in den Herzegowina Lodges, das Bild von Tito hängt immer noch am Kühlschrank. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.

Tito wacht über den Kühlschrank der Herzegowina Lodges
Im Sommer ein belebter Touristenort, im Winter leben hier noch 10 Personen
Boračko Jezero – Lukomir (10 1/2 h / 2010 M aufwärts / 980 M abwärts / 33.0 km)

Es ist ein luftiger Tag, er erinnert uns an einen Föhnsturm, denn die Temperaturen sind angenehm warm.

Bald überqueren wir den Fluss Nevreta, welcher beliebt ist für River Rafting und mit seiner intensiven Farbe ein Blickfang ist. Dann folgen wir dem wilden Rakitnica Canyon, erst noch auf Augenhöhe doch dann mit immer mehr Tiefblick.

Der Neretva-Fluss zieht durch die Felswände
Immer wieder sehen wir grosse Friedhöfe bei kleinen Dörfern, hier ein moslemischer Friedhof
Die ersten Höhenmeter sind geschafft und der Ausblick auf die wilden Canyons öffnet sich
Landwirtschaft wie vor 50 Jahren: Steine werden in mühseliger Arbeit zusammengelegt, die Wildschweine freuen sich über die Umgrabfläche
Bevors auf den Grat geht begrüssen uns die Geissen
Wasser aus der Quelle: in Bosnien regelmässig möglich

Auf dem Hochplateau Vranske stijene zieht noch ein letztes Schafhirt-Paar mit ihren Tieren herum, ansonsten ist alles verlassen und verfallen.

Unglaubliche Weite auf dem Hochplateau

Die Windböen auf dem langgezogenen Grat blasen uns fast davon, zum Glück auf die Seite mit den Bäumen und nicht auf die recht steile Schluchtenseite. Eigentlich wollten wir wieder einmal im Zelt schlafen, aber dieser Wind verbläst unsere Freiluft-Lust. So geben wir Gas und erreichen gerade beim Eindunkeln Lukomir. Es ist das höchst gelegene Dorf in Bosnien, welches bis vor kurzem noch ganzjährig bewohnt war und zeigt das ursprüngliche Leben dieser Region.

Bereits beim zweiten Haus werden uns die Türen herzlich geöffnet, eine Familie aus Sarajevo hat vor drei Tagen das kleine private Gasthaus Bobića Konak eröffnet und wir sind die dritten Gäste. Zuerst büscheln wir unsere Sturmfrisuren und dann werden wir mit lokalen Produkten so richtig verwöhnt.

Glück ist manchmal so einfach
Lukomir – Tušila (6 1/2 h / 980 M aufwärts / 1210 M abwärts / 18.3 km)

Wir erwachen mehrmals in der Nacht und sind einfach überglücklich, unter Dach und zwischen Wänden zu liegen. Es stürmt und der Regen prasselt an unser Fenster, Blitze und Donner geben sich im Minutentakt die Hand.

Dafür ist am Morgen der Himmel von allen Wettergespenstern weggefegt und die Sonne wärmt schon bald die kühle Luft. Nach der gestrigen strengen Etappe möchten wir es heute nicht auf die Spitze treiben. So lassen wir es uns bei einem ausgiebigen Frühstück nochmals gut gehen und ziehen dann ziellos weiter.

Lukomir bei Tag

Kurz vor Umoljani müssen wir uns jedoch entscheiden, ob wir den kleinen Umweg über das ursprüngliche Dorf Umoljani nehmen möchten oder auf dem Trail über die nächsten bergigen Höhepunkte ziehen sollen.

Die nächtliche Sintflut zeigt sich auch heute noch, Bachwalking ohne Schuhe
Sollen wir über diese Hügel kraxeln oder das Dorfleben geniessen?
Grabsteine aus dem Mittelalter zeugen von früheren Kulturen

Da der Himmel so klar ist wie schon lange nicht mehr, entscheiden wir uns für die Bergvariante. Ein toller Abschnitt über einen leicht zu gehenden Grat erfreut unsere Wanderherzen, der Wind bläst auch heute nochmals auf dieser Höhe doch im Vergleich zu gestern ist es ein Damenfürzchen.

Blick zurück nach Lukomir
Wir sehen den Weg von gestern und sind froh, schon auf der anderen Seite zu sein
Schöner Grat
Für heute ist der Vito unser höchster Punkt, der gewanderte Grat im Blick
Fühlt sich fast wie Fliegen an
Herbstliche Farben ziehen ins Land

In Tušila haben wir für einmal die Wahl zwischen zwei Gasthäusern. Zuerst zweifeln wir, ob wir mit dem Gasthaus Visočica das ‚bessere‘ gewählt haben. Unser Bungalow gleicht einer Bastelstube für angehende Ikea-Lernende, es gibt keine beschreibenden Worte. Doch wir essen fantastisch und es geht zünftig die Post ab. Totaler Kontrast zum Vorabend in Lukomir. Bosnien hat sehr viele Facetten und wir verlieren mit jedem Tag hier ein Stück Herz in diesem Land.

Feste werden gefeiert, nicht geplant
Wir sind mit Herz und Seele in Bosnien

Doch die Tage hier sind bald gezählt, es bleiben uns noch etwa 100 km bis Montenegro. Das Wetter scheint wieder stabiler zu werden und unser Ziel Albanien könnten wir in drei Wochen erreichen. Das Zelt haben wir schon lange nicht mehr gebraucht, die Übernachtungsmöglichkeiten möchten wir unbedingt nutzen und unterstützen. Sie sind alle auf ihre Weise einmalig, oftmals in einem privaten Haushalt. Zudem sehr erschwinglich: mehr als CHF 50.— mit Essen für uns beide bezahlen wir eigentlich nie.


3 Kommentare

Thomas Furter · Oktober 8, 2020 um 10:52

Lieber Wisi und Sonja

Ganz herzlichen Dank für eure tolle Rückmeldung! Schön, dass ihr auf diese Weise in Gedanken immer wieder mit uns unterwegs seid. Die grösste Herausforderung momentan ist das Wetter, Schnee in den Bergen würde unsere Wanderung wohl stoppen oder eine neue Routenplanung wäre nötig. Aber wir geben noch nicht auf.
Der nächste Blogeintrag kommt bestimmt!

Macht‘s gut und herzliche Grüsse in die Schweiz!

Sonja & Thomas

Eicher Wisi & Sonja · Oktober 7, 2020 um 20:43

Liebe Sonja und Thomas
Mit grosser Freude und Interesse verfolgen wir eure Wanderung. Wir staunen immer wieder über eure riesen Leistung, eure spannenden Begegnungen und die sinnreichen Erkenntnisse. Das ihr immer Zeit findet um eure Erlebnisse so detailliert zu dokumentieren ist einfach nur grossartig.
Wir wünschen euch weiterhin nur das Beste und ein gutes Ankommen am Ziel.
Liebe Grüsse Sonja & Wisi

Solenthaler Handueli&Rusch Mirjam · Oktober 5, 2020 um 14:52

Super Sach immer no sehr spannend was ihr alles erlebt. Mer wünsched eu weiterhin e gueti Ziit glg Humi us Niederwil

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