Tušila – Jakomišlje (7 1/2 h / 900 M aufwärts / 730 M abwärts / 25.6 km)

Nach einem bosnischen Kaffee verlassen wir unsere skurrile und doch sympathische Unterkunft in Tušila.

Wenige Kilometer später überhüpfen wir die 2000 km Marke. Noch etwa 350 km fehlen bis zum Ziel! Der Countdown läuft.

Immer noch frisch und fröhlich

Der grosse Sturm hat sich zwar gelegt, aber kräftiger Wind läutet immer wieder Wetterwechsel ein. So ändert sich auch unsere Bekleidung zwischen kurzarm und Regenbekleidung.

Gedenktafeln für Kriegsopfer stehen hier in jedem Dorf, unsere Jahrgänge sind in grosser Anzahl aufgeführt. Hinterlässt uns nachdenklich…

Fatamorgana? Nein, wir sind wieder im Trio unterwegs. Unser dritte vierbeinige Wegbegleiter ist von Natur aus wesentlich robuster ausgerüstet und langweilt sich während den vielen Kleiderwechsel.

Was wollen uns all diese Hunde sagen?

Ab Ljuta führt uns der Weg mehrheitlich auf Schotterstrassen weiter. Das ist auch gut so, denn dieses Gebiet ist immer noch stark vermint. Unser treuer Begleiteer kümmert dies aber wenig, so können wir nur hoffen, dass er abseits der Wege nicht ein Feuerwerk auslöst.

Wanderwegtafeln sind in der Minderzahl. Die kyrillische Schrift überwiegt im serbischen Teil von Bosnien.

Eigentlich wäre noch Zeit und Energie den bevorstehenden Gipfel zu überschreiten, aber aufgrund des böigen Windes und den nun doch kühlen Temperaturen entscheiden wir uns für einen geschützten Platz am Waldrand auf 1400 MüM.

Ausgerechnet einer spitzen Wurzel unter dem Zeltboden verdanken wir ein Leck in unserer aufblasbaren Schlafmatte, wir kriegen es nicht mehr dicht. Harte und auch kalte Nächte stehen uns bevor. Oder wir reisen von Kalinovik nach Sarajevo und suchen einen Ersatz. Aber diese Nacht müssen wir wohl oder übel durchbeissen.

Jakomišlje – Jelašca (5 1/2 h / 540 M aufwärts / 810 M abwärts / 18.0 km)

Wir erwachen erstaunlich ausgeschlafen, obwohl unsere Matte keine spontane Selbstheilung erfahren hat. Unser Beschützer vertreibt kurz nach dem Eindunkeln noch 2-3 Mal mit lautem Gebell wohl etwas sehr Gefährliches, doch dann schläft es ihn auch weg.

Bereits um halb neun stehen wir auf dem Tagesgipfel Lukavac und genau in diesem Moment verziehen sich die Nebelschwaden und der Himmel klart immer mehr auf.

Die Nebelschwaden lichten sich langsam …
… und kurz vor dem Gipfel blaut es auf

Dafür nimmt auch der Wind nochmals einen giftigen Anlauf. Die herbstlichen Farben hinterlassen eine milde Stimmung auf dieser verlassenen Hochebene.

Milde Farben bei giftigem Wind
Steinmauern erinnern an frühere landwirtschaftliche Nutzung

Lange ist es her, seit wir eine Extrarunde gedreht haben, doch heute verpassen wir tatsächlich einen Abzweiger und verlängern unseren Abstieg um eine Stunde.

Abstieg künstlich verlängert
Die Bäume tragen bereits bunte Herbstkleidung

Kurz vor Kalinovik treffen wir tatsächlich nochmals auf einen Hiker, Goulven aus Frankreich wollte für zwei Jahre auf der ganzen Welt wandern, auch seine Pläne haben durch Corona eine massive Anpassung erfahren. Schade haben wir ihn auf dem windigen Weg getroffen, wir hätten gerne länger mit ihm Erfahrungen ausgetauscht. Es gibt so viele spannende Menschen!

Goulven aus Frankreich ist auch schon seit mehr als 4 Monaten zu Fuss unterwegs

Unsere nächste Mission ist der Beschaffung einer neuen Schlafmatte gewidmet. Wir gehen davon aus, dass wir locker von Kalinovik ins rund 60 km entfernte Sarajevo kommen. Doch der nächste Bus fährt Morgen um 6 Uhr und Taxi gibts keine. Aber eine jüngere Frau kennt jemanden, der uns fahren könnte. So sitzen wir schon bald bei Tijana im Auto und erfahren einiges über die politische Lage in diesem Land. Ihre enorme Wut und Enttäuschung schwingt deutlich mit. Sie spricht gut Deutsch, da sie viele Jahre in Wien gelebt hat.

Der Einkauf in Sarajewo gleicht einem Marathon, doch irgendwann begnügen wir uns mit zwei Fitness-Matten, leicht aber sperrig. Besser als nichts. Tijana nimmt uns dann gleich wieder mit zurück und in der warmen Stube des B&B der Familie Lalovic gibts auch nach 22 Uhr noch Kartoffeln, Käse und Rakija, also eigentlich ‚Gwschellti’ mit Chäs und Schnaps. Todmüde fallen wir um halb eins in unser Bett. So spät sind wir noch nie schlafen gegangen seit wir unterwegs sind!

Nach diesem sehr anstrengenden und langen Tag gestern, nutzen wir den regnerischen Mittwoch, um unsere Vorräte und auch uns neu zu sortieren.

Einkauf für die nächsten Tage
Massenschlag im B&B Lalovic haben wir für uns alleine
Kleine Bungalows ergänzen das Angebot im B&B Lalovic. In Bosnien erhalten Via Dinarica-Unterkünfte finanzielle Starthilfe der USA.

Eigentlich möchten wir am Donnerstag früh aufbrechen und die angekündigten vier Schönwettertage nutzen, um durch den Sutjeska-Nationalpark zu wandern und den höchsten bosnischen Berg ‚Maglić‘ von Montenegro aus zu besteigen. Doch der Regen prasselt erbarmungslos herunter und so entscheiden wir, 5 km zurück nach Kalinovik zu gehen und uns im Hotel einzunisten. Denn das B&B ist dunkel, kalt und ungemütlich bei Nässe. Jaja, wir sind schon ein bisschen Warmduscher-Hiker, aber alles lassen wir uns nicht gefallen, auch nicht vom Wetter. Und irgendwie hätte der Aufenthalt im Hotel Moskva auch gefehlt! Entgegen Kommentaren auf der VD-App fühlen wir uns sehr wohl, trotz wachendem Putin über der Rezeption.

Im Hotel Moskva in Kalinovik wacht ein Porträt von Putin über der Rezeption

So bleibt uns nochmals viel Zeit und unsere Gedanken drehen Wetterspiralen. Was für Alternativen bleiben, falls der versprochene Schnee ab nächstem Montag wirklich fällt? Wo finden wir Übernachtungsmöglichkeiten? Wo könnten wir aus dem Trail aussteigen? Klar ist, dass wir nicht über die verschneiten Berge von Montenegro gehen möchten mit unserer Ausrüstung, das wäre zu riskant. Aber das Gute ist, wir haben Zeit. Auch bei einem frühen Wintereinbruch ist ein spätes Herbsthoch mit milden Tagestemperaturen noch möglich. Wir üben uns in Geduld!

Kalinovik – Orlovačko Jezero (8 1/2 h / 1150 M aufwärts / 730 M abwärts / 27.2 km)

In der Nacht hat sich der Himmel aufgeklart und es ist bitterkalt. Doch bis wir los ziehen, wärmt bereits die Sonne. Die ersten 2 1/2 Gehstunden kommen wir auf Kiesstrassen zügig voran, danach sind wir auf Bergwegen und das Tempo verlangsamt sich. Bald schon stehen wir auf dem Gipfel Velika Lelija und können nochmals auf unseren heutigen Ausgangspunkt hinunter schauen.

Kalinovik liegt schon weit weg im Tal
Zurück in den Bergen

Diese Region ist einmal mehr sehr wild und unberührt, mehrere wunderschöne Seen liegen am Weg. Bestimmt im Sommer eine Tour mit diversen Erfrischungsmöglichkeiten.

Štirinsko Jezero: einer von mehreren Seen
Unglaubliche Ruhe und Einsamkeit
Diese weiten Hochebenen sind wunderschön zu durchwandern
Die Sonne geht schon bald wieder unter
Die letzten Sonnenstrahlen aufsaugen bevor dann die frische Dunkelheit einbricht

Wir benötigen kein kühles Bad um uns zu erfrischen, sobald die Sonne abtaucht, wird es rasch kühl. Bei der verschlossenen Hütte des Orlovačko Sees stellen wir unser Zelt mit der neuen Innenausstattung auf und schlüpfen mit einer mehrschichtigen Kleidergarnitur in unsere warmen Schlafsäcke.

Orlovačko Jezero – Prijevor (10 1/2 h / 1890 M aufwärts / 1710 M abwärts / 31.1 km)

Wir brechen früh auf, denn unser Tagesziel ist in weiter Distanz und hinter mehreren Hügeln. Gemäss Wetterprognosen bleiben uns noch zwei trockene Tage, danach sieht es nach viel Regen und auch Schnee in den Bergen aus. Das heisst für uns, am Sonntagabend möchten wir in Montenegros Zivilisation sein, also los gehts!

Kurz nach dem Orlovačko-See beginnt der Sutjeska-Nationalpark, der älteste in Bosnien-Herzegowina. Unsere Blicke schweifen immer wieder zur Rundumsicht und staunen über die Schönheit der Natur.

Im Sutjeska-Nationalpark
Enorme Weite ohne Menschen, dafür mit Tierspuren
Tageshöchstpunkt: Bregoć
Im Hintergrund der Maglić, höchster Berg von Bosnien-Herzegowina. Am Abend werden wir ihm schon viel näher sein…
Abstieg vom 2. Gipfel, auch heute gehts rauf und runter
Fast wie der Wildhauser Schafberg

Beim Abstieg ins Tal führt der Weg durch den Perućica-Urwald, einer der letzten Primärwälder Europas mit bis zu 50 Meter hohen Buchen, Ahorn und Schwarzkiefern.

Plötzlich raschelt es leicht oberhalb und wir entdecken eine ganze Sippe Wildschweine mit Jungen beim Wurzeln ausgraben. Sobald sie uns auch sehen, springen sie aufgeregt davon. Und plötzlich schaut das Familienoberhaupt, ein kräftiger Keiler, schnaubend auf uns herab. Wohlfühlmomente sind definitiv anders. Zum Glück macht auch er kehrt und springt seiner Rasselbande hinterher.

Das Zückerchen am Tagesende sind dann nochmals 1100 HM aufwärts auf der gegenüberliegenden Talseite. Unser morgiges Gipfelziel der Maglić, ist schon zum Greifen nah und auch die grüne Grenze zu Montenegro ist gleich um die Ecke, genau gesagt 2 km entfernt.

Maglić: mit 2386 MüM der höchste Berg von Bosnien Herzegowina. Er liegt auf der Grenze zu Montenegro und wir möchten ihn Morgen von dort aus besteigen.

Nicht mehr ganz frisch erreichen wir Prijevor und staunen über die vielen Autos hier oben auf 1600 MüM. Es ist Samstag und viele Einheimische nutzen nochmals das schöne Bergwetter. Eine Picknick-Area finanziert durch die EU bietet tolle Zeltplätzchen, einen Unterstand und Toiletten, also offene Häuschen mit einem Loch im Boden. Leider werden die Toiletten vor allem zur Abfallentsorgung genutzt. Wir sind trotzdem happy mit unserem windgeschützten Schlafplatz und feiern unseren Schlussabend in Bosnien-Herzegowina mit Teigwaren in Spargelsuppe und für jeden einen Pack M&M.

Geschützter Schlafplatz zwischen Föhren mit Siebenschläfer-Sound die ganze Nacht

Bosnien ist für uns eine tolle Entdeckung, wunderschöne Berge, abwechslungsreiche Wanderwege, herzliche Menschen, leckeres Essen und immer wieder Mal ein Schnäpschen! Als Reiseland noch sehr unbekannt und genau deshalb so spannend und erfrischend. Absolut empfehlenswert.


1 Kommentar

Falk · Oktober 17, 2020 um 14:11

Ja da gibt’s tatsächlich noch Wanderer, die in diesem Jahr auf der Via Dinarica unterwegs sind. Sehr schöne Tour die ihr macht 🙂 Wir sind von Mitte Juni bis Mitte August auch auf der V.D. gelaufen. Allerdings haben wir keinen Covid-Test über uns ergehen lassen, so war an der Grenze zu Bosnien Feierabend…

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