Razdrto – Sv. Lorenc (7 1/2 h / 1200 M aufwärts / 800 M abwärts / 21.6 km)

Heute Sonntag gehts los auf der Via Dinarica!

Jetzt gehts los auf der Via Dinarica

Aber eigentlich ändert sich nicht viel, denn wir stehen auf, packen unser Zelt zusammen und marschieren dorthin, wo der Komoot uns hinführt. Zuerst müssen wir zurück nach Predjama, heute nehmen wir aber den ‚richtigen‘ Weg über den Nanos, auf dem Hinweg sind wir unten durch. Der Nanos muss wohl der schönste Gipfel im Umkreis sein, denn alle, die heute nicht den Gottesdienst besuchen, sind wohl schon früh auf den Aussichtsberg mit Hütte gestiegen.

Der Nanos thront über dem Camping von Razdrto
Zum ersten Mal sehen wir in der Ferne das Meer

In Predjama kühlen wir uns mit einem Eis ab und nehmen dann nochmals 500 Höhenmeter ziemlich schwitzend in Angriff.

Nochmals ein Blick auf Predjama weils so schön ist

Beim letzten Dorf möchten wir Wasser auffüllen, aber der Brunnen fehlt. Dafür bellt vor jedem Haus ein Hund, eher nicht aus Freude zur Begrüssung. Sie sind jedoch alle hinter Gitter oder angekettet, einzig ein älteres, schon recht abgekämpftes Tier trottet uns bellend ein paar Meter nach.

Ohne Wasser können wir es nicht wagen, weiter zu gehen. So fragen wir einen älteren Herrn bei einem Haus und auch ohne gemeinsame Sprache, versteht er sofort, was wir benötigen und füllt unsere leeren Flaschen und Beutel mit frischem Trinkwasser ab, unser erster Trailangel ist gefunden!

Beim Gipfel Sv. Lorenc mit kleiner Kapelle stellen wir unser Zelt auf, allerdings erst kurz vor dem Eindunkeln, denn auch dieser Gipfel scheint beliebt zu sein, zum Beispiel als Abendspaziergang. Allgemein sind die Slowenen sehr aktiv und nutzen die Freizeit um in der Natur zu sein. Übergewichtige Menschen sehen wir selten, auch wenn die Ernährung nicht gerade ins Weight Watchers Programm passt.

Ein weiterer Gipfel in der Sammlung: Sv. Lorenc
Auch in Slowenien stehen die Kapellen an Kraftorten
Über diese Hügel gehts Morgen weiter
Sv. Lorenc – Rakek (11 1/2 h / 730 M aufwärts / 1120 M abwärts / 40.3 km)

Das Hand-Glögglein der Kapelle wird bereits um 6 Uhr von ersten Frühsportlern betätigt und holt uns in die neue Wanderwoche, aber ohne Montagsblues. Der Herbst winkt mit Nebelschwaden aus dem Tal. Da wir eher knapp Wasser haben, ziehen wir ohne Kaffee los.

Nebelschwaden im Tal sind uns ziemlich egal

Die ersten beiden Wanderstunden führt der Weg durch wildes Gelände, teilweise wuchern die hohen Pflanzen über den schmalen Pfad, er ist jedoch durchgehend markiert, was uns positiv überrascht.

Hügelhüpfen

Wir schauen nochmals zum überlaufenen Nanos zurück und staunen über die heutige Ruhe.

Blick zurück zum Nanos

Nach der Hügelkette führt der Weg mehrheitlich auf Forststrassen und wir kommen richtig zügig voran, hüpfen von Dorf zu Dorf. Das verfallene Schloss Haasberg am Wegrand muss wohl ohne Burgfräulein auskommen.

Schloss am Wegrand, leider nicht mehr unterhalten

Für einmal lassen wir uns zum Zmittag bekochen, und im Nachhinein ist das eine gute Entscheidung, denn der Abend wird spät.

Aber der Reihe nach. Für Höhlenfans muss Slowenien paradiesisch sein, überall treffen wir auf Schilder, welche zu ‚Jamas‘ führen. Und unser Trail führt sozusagen durch die Höhle Rakov Škocjan. Hier kommt ein unterirdischer Abfluss des Sickersees Cerkniško jezero ans Tageslicht. Natürlich steigen wir hinunter und bestaunen das Naturwerk von allen Seiten. Genau jetzt beginnt es zu knottern am Himmel, fehlt nur noch die entsprechende Filmmusik und schon könnten Orks oder auch Gollum direkt vor uns auftauchen.

Bei der Höhle Rakov Škocjan
Wir geniessen die Stimmung dieser wenig besuchten Höhle

Es ist noch zu früh, um einen Platz für unser Zelt zu suchen, so gehen wir weiter. Und wieder einmal passiert es uns, dass wir es verpasst haben mit dem Outdoor-Schlafplatz und in der Zivilisation stehen. Uns wird bewusst, dass ein käufliches Bett her muss.

Als die zweite Wetterfront vorüberzieht sind wir im Naturpark beim Sickersee Cerkniško jezero.

Ganz plötzlich wird es dunkel
Der Cerkniško jezero ist der grösste Sickersee Europas

Wir versuchen den heftigen Windböen zu entkommen und peilen ein Agriturismo an. Doch die haben ausgerechnet heute Ruhetag. Weitere telefonische Anfragen in nahe gelegenen Herbergen bleiben erfolglos. Regen und Wind sind unterdessen vorbei und wir entscheiden, zu Fuss auf Bettensuche zu gehen. Es dunkelt bereits ein, Wasser haben wir ausreichend und Müdigkeit verspüren wir nicht. So sind wir noch recht entspannt unterwegs und steuern ein Gasthaus etwas ausserhalb an. Sieht schön aus, aber alle Zimmer sind besetzt. Die beiden jungen Damen an der Theke kennen jedoch eine weitere Möglichkeit und reservieren uns telefonisch ein Zimmer. Bedeutet für uns aber, nochmals eine halbe Stunde der Hauptstrasse entlang im Dunkeln in die falsche Richtung zu gehen. Aber es lohnt sich. Ein sympathischer Wirt empfängt uns an seinem freien Tag und würde sogar noch kochen. Wir sind schon mit den neu renovierten Zimmern mehr als zufrieden, duschen und Kleider waschen und dann ab in die Heia.

Rakek – Volčje (7 h / 660 M aufwärts / 500 M abwärts / 24 km)

Wir schlafen aus, nicht nur damit das Zimmer sich gelohnt hat und ein nahrhaftes Frühstück füllt gleich das Leck des verpassten Nachtessens von gestern. Zudem gibt uns der Wirt ein Zwiebelbrot direkt aus dem Ofen mit auf den Weg. Sehen wir wirklich so ausgehungert aus? Also falls ihr jemals auf der Reise nach Kroatien eine Unterkunft sucht, das Pav in Rakek ist eine super Adresse!

Obwohl wir gestern die 40-km Marke erstmals geknackt haben, fühlen wir uns fit. In Cerknica kaufen wir nochmals Futter ein und dann gehts hoch zum 500 Meter höher gelegenen Slivnici, von dort aus können wir nochmals den Sickersee und das tolle Naturparadies anschauen, bei Sonnenschein bestimmt ein toller Ausblick. Der See verschwindet in der Regel bis zum Winter komplett und nimmt dann im Frühling die grösste Fläche ein.

Sickersee Cerkniško jezero von oben bei trübem Wetter

Nach einem ersten leichten Abstieg führt uns der Weg über lange Zeit einer Teerstrasse entlang, unsere Füsse rebellieren und kleinere Operationen führen wir gleich selber fachmännisch vor Ort durch.

Flüssigkeitsventil durch gezielte Selbstakupunktur

Das Zwiebelbrot lässt unsere Laune nochmals ansteigen, zudem kippen wir eine Zusatzschlaufe über weitere 8 km auf Teer.

Der Duft des frischgebackenen Brotes noch tief in der Nase
Landschaftlich ein schönes Hochplateau…
… leider stundenlang der wenig befahrenen Strasse entlang

Beim kleinen See Bloško jezero siegt auch die Sonne wieder gegenüber den Wolken. Wir entscheiden, Wanderfeierabend zu halten, Seestimmung mit Feierabendbier zu geniessen und dann beim Eindunkeln einen Platz für unser Zelt zu suchen.

Heute gibts früher Feierabend
Der Bär im Hintergrund beobachtet uns genau
Volčje – Mašun (9 h / 810 M aufwärts / 540 M abwärts / 33.2 km)

Der kurze Platzregen eine halbe Stunde nach Aufbruch hat ein gutes Timing. Wir treffen gerade in Nova Vas ein und die Cappuccino-Pause ist nicht nur Vergnügen sondern auch einfach sinnvoll um trocken zu bleiben. Wir sitzen sicher eine Stunde in der Dorfbeiz, Gäste kommen und gehen. Eine einheimische Seniorenwandergruppe setzt sich an den Tisch neben uns und ein Gespräch, sogar auf Deutsch, entsteht. Sie können kaum glauben, dass wir zu Fuss von der Schweiz bis hierhin marschiert sind und noch nicht ans nach Hause gehen denken.

Wir brechen dann mit den ersten Sonnenstrahlen doch wieder auf und sind froh, dass wir heute nur kurze Abschnitte auf Teer gehen müssen. Grosse Teile des Weges führen durch den Wald, in Slowenien ist 60% der Fläche mit Wald bedeckt und er wird auch rege genutzt. Von Mensch und Bär.

Die Wälder werden dezent und gezielt genutzt
Bärentatzen im Schlamm und recht frischem Kot begegnen wir mehrmals …
… nur der Hauptakteur hält sich verdeckt
Auch über Weideland wandern wir, jedoch eher selten

Den kulturell-geschichtlichen Input von heute Mittwoch kombinieren wir mit der Mittagspause beim Schloss Sneznik. Unsere mobile Küche ist eingerichtet, da gibts nochmals einen überraschenden Regenspritzer. Auf den Bänken unter den Bäumen bleiben wir auch diesmal trocken. Wir haben gemerkt, dass wir unseren Essrhythmus etwas optimieren können indem wir tagsüber die warme Mahlzeit einnehmen. So mögen wir am Abend bis zum Eindunkeln wandern und müssen bei der Platzwahl fürs Zelt nicht nach einem gemütlichen Ort Ausschau halten sondern nur einen ebenen Boden finden.

Schloss Sneznik spiegelt sich im Burgweiher

Auf wenig begangenen und teilweise überwucherten Pfaden nehmen wir nun den lang gezogenen Aufstieg zum höchsten Gipfel der Dinarischen Alpen in Slowenien unter die Füsse.

Die Pfade sind teilweise überwuchert und recht wild

Einmal zeigt sich der Sneznik aus der Ferne, ansonsten schauen wir mehrheitlich von Baum zu Baum.

Wald, Wald und nochmals Wald. Im linken oberen Bildrand thront der Sneznik, unser morgiges Ziel

Der Weg ist gut markiert und Teil des europäischen Fernwanderweges E6, umso mehr erstaunt es, dass er so wild ist.

In Mašun stellen wir gerade noch knapp bei Tageslicht das Zelt im dichten Wald auf, nehmen einen Stehsnack ein (das Zwiebelbrot ist auch heute noch köstlich) und hören dann im Schlafsack eingemummelt mit gemischten Gefühlen den tierischen Geräuschen des Waldes zu. Im Nachhinein können wir die Geräusche einem Wolfsgebell und Siebenschläfern zuordnen, Internet sei Dank. Unsere Nahrungsvorräte haben wir über einen Ast gehängt, um keine Tiere in unser Zelt zu locken. Wir hoffen auf ein Wiedersehen am nächsten Morgen!

Mašun – Sneznik (4 h / 850 M aufwärts / 130 M abwärts / 10.6 km)

In Mašun könnte auch in einer sympathischen Gostišče übernachtet werden, wir sind schon glücklich mit einem echten Cappuccino in den Tag zu starten. Und die Essenvorräte hängen noch unversehrt am Ast und warten darauf, abgeseilt zu werden.

Unsere voraussichtlich letzte slowenische Nacht möchten wir auf dem Sneznik in der Hütte verbringen. Der Aufstieg dauert rund 4 Stunden und so haben wir auch wieder einmal einen Nachmittag wanderfrei.

Die letzten 100 Höhenmeter können mit Aussicht durch Legföhren begangen werden
Die Hütte auf dem Sneznik schon greifbar nah

So sitzen wir sauber gewaschen auf dem Sneznik und haben einen Rundblick zurück in die Vergangenheit und in die Zukunft. Wir können unseren ungefähren Weg durch die immensen Wälder herleiten und Kroatien liegt in der Verlängerung des Ausblicks zu unseren Füssen. Auch die Adriaküste ist greifbar nah und im Dunst zu erkennen.

Im Abendrot können wir sogar die Julischen Alpen mit Triglav nochmals aus einer ganz anderen Dimension bewundern. Wir geniessen die tolle Bergstimmung sehr bewusst, denn die nächsten Tage werden wir wohl wieder eher zu Waldelfen. Einen schöneren Schlussabend in Slowenien hätten wir uns nicht träumen können.

Afrika?
Wir haben uns sehr wohl gefühlt in Slowenien, viele schöne Erinnerungen tragen wir mit uns
Gipfelselfie auf dem Sneznik
Handauflegen hilft meistens
Wer strahlt mehr?
Sneznik – Kozji Vrh (8 1/2 h / 430 M aufwärts / 1280 M abwärts / 29.3 km)

Einmal mehr hatten wir eine Berghütte für uns alleine. Halbpension für EUR 20. Bei diesen Preisen müssen wir ja noch ewig wandern um unser Reisebudget durchzubringen! Gespannt auf den Grenzübergang am heutigen Freitag starten wir den letzten Wandertag in Slowenien.

Nach den ersten Höhenmetern abwärts kommen wir schon bald wieder in den Wald, welcher erst noch recht licht ist aber mit zunehmendem Höhenverlust dichter und dichter wird.

Abstieg vom Sneznik

Wir versuchen, einen unerklärlichen Wegbogen auf den endlosen Forststrassen umgehen zu können, enden dann aber leicht genervt im Nirgendwo. Also zurück und die Schlaufe einfach abmarschieren.

Wir kommen jedoch sehr zügig vorwärts und bereits um drei Uhr stehen wir am Grenzübergang zu Kroatien. Der slowenische Zöllner winkt uns zu sich, denn eine Spur für Fussgänger gibt es nicht. Er fragt uns nach unseren Plänen und nickt anerkennend, als wir die Via Dinarica erwähnen. Ja, bis Albanien ist noch viel Weg zu gehen.

Die kroatische Zöllnerin gibt uns noch Tips für unsere erste Übernachtung in ihrem Land und lässt uns dann problemlos einreisen.

Kroatien – schön können wir ein weiteres Land durchwandern, bereits unser 5.
Offiziell eingereist. Obwohl Kroatien auch in der EU ist, sind die Grenzkontrollen streng und über Nacht geschlossen

Nach einer Stunde erreichen wir den Passübergang bei Kozji Vrh, eine gemütliche Tischrunde sitzt vor dem Gasthaus und der Wirt ruft von Weitem in Englisch, ob wir die Via Dinarica wandern und ein Zimmer benötigen. Bei soviel ‚Dobrodošli‘ können wir nicht widerstehen. Ankunft in Kroatien zu 100% geglückt. Und ein bisschen beruhigt uns auch, dass diese Via Dinarica wirklich real existiert und nicht nur im Internet!

Ein herzliches Willkommen in Kroatien

Was hat sich geändert seit wir auf der Via Dinarica wandern? Das Gelände ist einfacher und dadurch können wir längere Distanzen zurück legen, ein wenig PCT-Feeling kommt auf. Wir schlafen auch wieder vermehrt im Zelt, denn Hütten sind selten und Möglichkeiten zum Biwakieren ausreichend vorhanden. Andere Hiker treffen wir jedoch nicht, so ist unser Weg recht zweisam – einsam. Heisst auch, wir sind auf uns alleine gestellt. Der Wald wird uns weiterhin begleiten, und dadurch auch die Hoffnung auf eine schöne Bärenbegegnung!

Von Razdrto (SLO) – Kozji Vrh (HR)

5 Kommentare

Pa · August 24, 2020 um 08:47

Schön, an euren Erlebnissen teilhaben zu können. Spannend und eindrücklich. Frohes Weiterkommen!

Frantisek · August 23, 2020 um 18:32

Ich hatte auch das selbe Wetter bei Cerknica :D. Viel Spaß und Glück! Die VD in Croatien wird toller und toller!

Sylvia · August 22, 2020 um 17:24

Toll, wie weit ihr schon gekommen seid. Fantastisch!!! Eure Berichte sind sehr informativ, interessant und immer wieder ist ein Brüller dabei :)) Und nicht zu vergessen, die beeindruckenden Fotos. Wir freuen uns schon, wenn es wieder weiter geht.
P.S: Habt ihr den Bärenbraten gegessen? Wenn ja, wie hat er geschmeckt?
Weiterhin fröhliches Wandern

Yvonne · August 22, 2020 um 14:02

Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus – bin immer wieder sehr gespannt auf eure Reiseberichte !

Reini · August 21, 2020 um 20:53

Ist ja gewaltig euer Weg!!
Danke, dass Ihr mich Durch Eure Berichte etwas teilhaben lässt.

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