Kozji Vrh – Hrib (7 1/2 h, 800 M aufwärts, 990 M abwärts, 24.2 km)

Voller Zuversicht steigen wir in unseren ersten kroatischen Wandertag. Doch bereits nach etwa einer halben Stunde stehen wir leicht ernüchtert im Dickicht – wo ist der Weg?

Das Sturmholz von 2014 rottet gemütlich vor sich hin

Kroatien ist ein osteuropäisches Land mit einer lang gezogenen Küste am Adriatischen Meer. Das Staatsgebiet umfasst über 1‘000 Inseln und wird von den Dinarischen Alpen durchzogen. Auf seiner Fläche von 56’000 km2 leben rund 4 Mio Einwohner, Tendenz rückläufig. Über 80% der Bevölkerung ist römisch-katholisch. Obwohl sie der EU angehören, haben sie mit dem Kuna eine eigene Währung. Seit 1991 ist Kroatien ein eigenständiges Land.

Karte von Kroatien

Nun können wir die einzelnen kritischen Stimmen auf der Via Dinarica App nachvollziehen. Bei einem Eissturm im 2014 wurde in dieser Region ein grosser Teil des Waldes verwüstet und bis heute nicht aufgeräumt. So kämpfen wir uns mit Hilfe des GPS-Tracks auf dem Handy über, unter und zwischen Baumstämmen durch, so etwas wie Hindernislauf mit einem gewichtigen Hindernispäckli auf dem Rücken. Wir schaffen wohl nicht mal einen Kilometer in der Stunde! So kommen wir dieses Jahr nicht mehr nach Albanien…

Bei der ersten Möglichkeit steigen wir aus dem Baumwirrwarr aus und spulen der Strasse entlang ein paar Kilometer ab. Die Sonne brennt, Wasser geht einmal mehr langsam aus. Nur selten queren wir Flüsse oder Gewässer, da wir uns immer noch im Karstgebiet befinden fliesst vieles unterirdisch ab. Doch plötzlich plätschert es sanft und wir filtern fröhlich vor uns hin bis wir wieder je 4 Liter mehr auf dem Buckel tragen.

Wassergeplätscher: ein willkommenes Geräusch

Kürzlich verfasste Kommentare eines Hikers auf dieser Strecke bewahren uns vor weiteren zeitintensiven Abtauchern ins Unterholz und die vorgeschlagenen Varianten funktionieren recht gut. Danke Frantisek! So erreichen wir am späten Nachmittag den Robinzonski Camp bei Hrib und wir sind genau so begeistert wie der vorher erwähnte Kommentarschreiber (Update Juli 2023: scheint leider nicht mehr zu existieren). Mit Sanja und Mladen haben hier naturverbundene Menschen ein einzigartiges Paradies mit kleinen Camp-Hüttchen errichtet und ein tolles Nachtessen unter Sternenhimmel lässt unsere Sucherei im Wald bald vergessen.

Toller Platz bei herzlichen Gastgebern: Robinzonski Camp

Obwohl wir die einzigen Übernachtungsgäste sind, geht es lebhaft zu und her, denn einige Einheimische kommen zum Barbecue. Kurzentschlossen entscheiden wir, uns Morgen einen wanderfreien Tag zu schenken, schliesslich ist Sonntag. Mit diesem Gedanken verkriechen wir uns zufrieden und ohne künstlichen Wecker in die kuschelige Hütte.

Hexenhäuschen auf dem Robinzonski Camp

Wir verbringen den Sonntag zwar mit wenig Sonne aber dafür mit sehr viel Wonne. Unser Bewegungsdrang ist etwa so gross wie jener der vier Zecken, welche wir gestern eingefangen und durch die Nacht gefüttert haben. Aber jetzt müssen sie dran glauben!

Der Vormittag vergeht im Nu mit Mladen. Wir philosophieren darüber, was den Menschen wirklich glücklich macht, über die Wertvorstellungen in unserer kommerziellen Zeit und er gibt uns hilfreiche Tipps zum weiteren Verlauf des Trails. Immerhin, die Pfade sollten besser werden!

Als am frühen Nachmittag die Familie Zmittag isst, erhalten wir ganz selbstverständlich und ungefragt auch eine riesige Platte mit Köstlichkeiten frisch zubereitet aus dem grossen Garten. Eine Auswahl an Schnapsflaschen zur Selbstbedienung wird auf den Tisch gestellt. Und dann zeigt sich auch die Sonne wieder. Fühlt sich ein bisschen an wie im Schlaraffenland!

Sonntagsmenu auf kroatisch
All Inclusive ohne Armbändeli
Unser Schlafhüttchen
Hrib – Bela Vodica (6 h, 570 M aufwärts, 590 M abwärts, 21.4 km)

Kurz nach Aufbruch beim Robinsonski Camp am Montagvormittag betreten wir den Risnjak-Nationalpark und die Wege entsprechen unserer Vorstellung von Wanderwegen.

Verabschiedung von Sanja und Mladen

Obwohl es bewölkt ist, fühlen wir uns bald schon klebrig an, denn die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Kurz vor der fast schon kitschigen Quelle Kupa hören wir einen Eisvogel zwitschern und dann plötzlich zeigt er sich auch in seinem blauen Federkleid!

Eisvogel beim Abflug
Mystische Stimmung dem Fluss Kupa entlang
Nebelschwaden tanzen auf der Wasseroberfläche
Quelle des Kupa im türkisblauen Schimmer

Die freundliche Rangerin knöpft uns dann noch Geld ab für das Durchwandern des Nationalparks (7 EUR pro Person), das Ticket ist aber Morgen auch noch gültig, denn in einem Tag mögen wir nicht durch den ganzen Park wandern. Leider ist die Hütte auf dem Risnjak nicht geöffnet, da anscheinend keine Pächter gefunden wurden, so die Aussage der perfekt englisch sprechenden, jungen Rangerin.

Nach 12 km der Strasse entlang erreichen wir bereits am frühen Nachmittag mit gebeutelten Füssen Crni Lug. Wir gehorchen der Rangerin und bleiben auf dem unkonventionellen Camping in Bela Vodica obwohl ein Aufstieg auf den Risnjak zeitlich noch gut drin liegen würde. Wild Campen wird in den Nationalparks auch hier nicht gern gesehen.

So kaufen wir im einfachen Dorfladen einige Snacks ein, nisten uns zusammen mit den nervigen Wespen auf dem Camp ein und lassen den Tag und die Fusssohlen ausplämperln.

Bela Vodica – Tuhobič (8 h / 1210 M aufwärts / 810 M abwärts / 24.6 km)

Bei offenem Himmel marschieren wir am Dienstag früh los. Kurz nach dem Camping befinden wir uns wieder im Risnjak-Nationalpark und der Aufstieg im Wald beginnt. Hier sind die Wege gut unterhalten und werden auch begangen. Es wird immer düsterer, denn Wolken ziehen auf. Aber wir haben Glück, als wir drei Stunden später auf dem Gipfel juchzen, zeigen sich bereits wieder blaue Löcher.

Luftige Gipfelfrisuren
Risnjak 1528 MüM

Wirklich schade, dass die Hütte nicht bewirtet ist. Gemäss Erzählungen wurde sie auch schon durch Flüchtlinge beschädigt, denn durch diesen Wegabschnitt führt die Balkanroute und die immensen Wälder bieten gute Verstecke auf dem Weg in ein vermeintlich besseres Leben.

Blick auf den Risnjak mit Hütte

Auch unser Weg führt dann wieder stundenlang durch diese majestätischen Wälder. Auf dem Wegabschnitt bis Lič kann nur durch den zusätzlichen Abstieg nach Gornje Jelenje Wasser nachgefüllt werden, deshalb tragen wir seit dem Morgen je ca. 6 Liter, das hängt an. Dafür können wir jedoch Gornje Jelenje umgehen. Ausgerechnet jene Abkürzungs-Route im Wald gleicht jedoch wieder einem Suchen und Fluchen. Und zum Schluss werden unsere Beine noch mit einer Brennessel-Massage auf die Probe gestellt!

Wenig begangene Wege sind regelmässig überwuchert, so wie hier

Unser heutige zweite Gipfel liegt schon recht nah am Meer und die Aussicht auf das glitzernde Wasser und zurück zum Risnjak wirken versöhnlich.

Der Morgengipfel schon wieder in weiter Ferne

Der Tuhobić wird spontan zu unserem Nachtlager auserkoren, obwohl wir heute eigentlich weiter kommen wollten. Aber die Wegsuche und die weglosen Abschnitte benötigen einfach mehr Zeit. Zudem können wir uns keinen schöneren Schlafplatz mit Podest ausdenken.

Auf freiem Fuss
Geld oder Liebe? Unbezahlbare Momente…

Bei der atemberaubenden Abendstimmung fühlen wir uns dann wie im Ferienparadies!

Schattenspiele mit dem Zelt
Sonnenuntergang über der Kvarner-Bucht
Tuhobič – Fuzine ( 5 h / 220 M aufwärts / 580 M abwärts / 16.7 km inklusive Seerundgang)

Unsere Wandermotivation erlebt am Mittwochvormittag eine weitere Bewährungsprobe. Um nach Lič zu kommen wählen wir die Original-Via Dinarica Route über den Jelenčić, irgendwann streifen wir dann die Regenhose über unsere Shorts um unsere Beine vor Brennnesseln, Dornen und kleinen, anhänglichen kastanienähnlichen Kugeln zu schützen, welche sich mit ihren klebrigen Spitzen überall festklammern. Den Gipfel kann man sich problemlos schenken: weder Aussicht und noch nicht mal ein Grund, um eine Pause einzulegen.

Pünktlich zum Zmittag erreichen wir das hübsche Örtchen Fuzine.

Pünktlich zur Mittagszeit erreichen wir Fuzine

Wir haben uns für den Abstieg nach Fuzine entschieden, da Lič kleiner ist und wir wieder einmal unsere Essvorräte und Bauchumfänge aufstocken müssen. Gestern haben wir unsere Fressbeutel gut ausgebeutelt. Dennoch stürzen wir uns in Fuzine auf das köstliche Wildschweinragout, vergleichbar mit jungen Ferkel, welche sich um die Zitzen ihrer Mama lauthals quietschend balgen. Mit vollem Bauch steigt auch unser Stimmungsbarometer sofort wieder an!

Wildschwein mit Kartoffeln zum Zmittag …
…und ein kleines Dessert

Die nächste Übernachtungsmöglichkeit liegt rund 30 km vor uns, das schaffen wir heute nicht mehr. Und den See wollen wir auch noch anschauen. Und duschen wäre so wohltuend. Der innere Wildschweinehund siegt und wir nehmen uns ein Zimmer. Morgen ist auch wieder ein Wandertag und das Gestrüpp wird wohl auch noch sein.

Fuzine am See

Am Nachmittag wandern wir noch kurz um den Stausee, ein bisschen Bewegung zwischen den Strandbeizen ist schon wohltuend!

Elegant wie ein Siebenschläfer…
… oder muskulös wie ein Bär
Die Beach-Bars als Seerundgangs-Motivatoren

Wir sind immer noch zuversichtlich, dass wir den Trail weiterführen werden. Etwa mit 3 Wochen Vorsprung wandert Frantisek und seine Berichte sind hoffnungsvoll. Wir möchten nun in vier Tagen bis kurz vor den Einstieg zum Velebit-Nationalpark schaffen, werden allerdings überwucherte Abschnitte umgehen. Dann planen wir eine Pause am Meer und dann?


1 Kommentar

Sandra · August 27, 2020 um 17:55

Hallo zusammen
Ihr seid eifach grossartig! Vielen herzlichen Dank für diesen wiederum so tollen Bericht und all die Bilder die ihr sprechen lässt. Es fühlt sich für mich auch hier wieder an, als ob ich gleich mit unterwegs wäre. Kroatien lässt in mir so viele Erinnerungen an unsere 6 Wochen Familienzeit aufleben, die vor einigen Jahren da erleben durften. Mit Zelt, Auto und Fahrrad unterwegs haben wir Kroatien ganz facettenreich lieben gelernt.
Mit sonnigen Grüssen aus der Ostschweiz
Sandra

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