Igoumenitsa – irgendwo nach Agios Georgios / Tagesmotto: vollmotiviert

Endlich gehts los! Wir starten in Igoumenitsa frisch und fröhlich beim Campingplatz mit Beachfeeling, wo wir unser Zelt erstmalig wieder bezogen haben und dieses hoffentlich für längere Zeit immer wieder unser Zuhause sein wird.

Schluss mit Faulenzen am Strand

Noch ein Cappuccino sowie etwas aus der Bäckerei und dann steigen wir mit hoffnungsvollen Gefühlen auf den E6, denn wir haben keine Ahnung, was uns erwartet. Im Internet finden wir kaum Informationen zu diesem Abschnitt. Entsprechend selten wird er wohl gewandert.

Neu wandern wir dieses Jahr mit zwei Wander-Apps, dem Komoot wie bisher zur Routenplanung sowie zusätzlich mit Mapout zur Navigation, denn die Darstellung ist deutlich professioneller. Der Einstieg ist steil, doch es gibt einen Weg und er ist sogar markiert. Zum Glück spenden die Bäume Schatten, aber es ist auch so noch schweisstreibend.

Auch die Kühe gehen dem Schatten nach

Die erste Anhöhe ist geschafft und zwei einheimische Herren freuen sich über Wandertouristen. Das mit der Verständigung ist nicht ganz einfach, immerhin erfahren wir, dass sie den Europäischen Fernwanderweg E6 kennen, somit gibt es den nicht nur theoretisch. Aber, postwendend kommt ein grosses ABER: die Wege sind auch in Griechenland stellenweise nicht mehr unterhalten und somit überwuchert.

Erste Anhöhe: die Disteln zeigen auch Grösse

Wir sind jedoch optimistisch und unsere Ansprüche an Wanderwege sind seit unseren Erfahrungen in Kroatien stark gesunken. So loben wir, etwas voreilig, die gut markierten Wege…

Markierter Fernwanderweg E6

Wir kommen gut vorwärts, viele Höhenmeter gibts nicht, dafür umso mehr Schweisströpfchen.

Der nasse Rücken trocknet rasch in der heissen Mittagsluft

Und eine erste spannende Begegnungen mit jemandem, der noch langsamer unterwegs ist als wir, beflügelt uns. Kassiopeia aus Michael Endes Momo weiss so wie wir, dass Zeit eines der wertvollsten Güter des Menschen ist.

Die Schildkröte hat bestimmt noch mehr vom Weg als wir

Um die Mittagszeit erreichen wir unsere zweite Anhöhe und freuen uns über den Wasserhahnen, welcher noch in Betrieb ist. Es ist schwierig einzuschätzen, wieviel Wasser wir mittragen sollen, die Flüsse sind bereits jetzt im Juni grösstenteils ausgetrocknet. Allerdings sind wir immer wieder in bewohntem Gebiet.

Bis zum Schluss der Wanderung klappts dann hoffentlich auf Anhieb mit dem Handstand

Tja, und dann nach einem Abschnitt der Strasse entlang ist der Einstieg in den Wanderweg unauffindbar. Für eine sehr kurze Distanz benötigen wir eine gefühlte Ewigkeit. Einheimische bestätigen uns, dass wir der Strasse entlang trotten müssen. Wir sind müde und die Füsse müssen sich erst noch wieder an die langen Distanzen gewöhnen, so schlagen wir bereits früh unser Zelt auf.

Gute Wahl, bald schon donnert ein Gewitter über uns hinweg und die griechischen Götter werfen mit Hagelkörnern von 1 cm Durchmesser um sich. Doch bald zieht das Unwetter weiter und wird in der Ferne immer leiser und harmloser. Und für uns gibts bereits um 19 Uhr Nachtruhe.

Das Zelt steht kurz bevor das Gewitter vorüber zieht
Agios Georgios – Paramythia / Tagesmotto: lass dich überraschen

Der Nebel hat uns über Nacht eingehüllt, das Aussenzelt trieft vor Nässe beim Einpacken. Bereits um 7.15 Uhr sind wir mehr als ausgeschlafen und abmarschbereit, wir möchten die kühlen Morgenstunden zum Laufen nutzen. Das Frühstück beschränkt sich auf einen Riegel im Stehen, auf Kaffee verzichten wir freiwillig unterwegs. Gut sind unsere Bedürfnisse so ähnlich, sonst könnte es doch immer wieder mal zu kleineren Geduldsproben kommen.

Morgendliche Nebelstimmung wie im Herbst

Die Wege sind soweit ok, oft folgen wir kleineren Kiesstrassen. Einen Abschnitt durch dickes Gestrüpp umwandern wir. Die Landschaft in den Tälern ist sehr üppig, in der Höhe jedoch trocken und staubig. Unter knorrigen Bäumen am Schatten schalten wir eine Pause ein. Bald setzt sich eine betagte Einheimische zu uns, fast so knorrig wie der Baum. Sie hat viele Fragen, leider können wir nur erahnen, was sie an uns so interessiert. Dankend nimmt sie eine hand-voll Nüsse aus unserem Proviantbeutel an.

Pausenbekanntschaft am Schatten

Um die Mittagszeit erreichen wir Neochori. Die vielen neueren Häuser überraschen uns. Aus einem Garten ruft eine Frau in perfektem Deutsch: ‚Was macht ihr denn da?‘ Anna ist zwar in Deutschland aufgewachsen, hat jedoch griechische Eltern und auch Vangeli, ihr Ehemann ist Grieche. Wir werden zu Kaffee eingeladen und bald stehen Spiegeleier, Griechischer Salat mit eigenem Olivenöl, Fetakäse und Würstchen auf dem Tisch.

Herzliche Bewirtung

Anna erzählt uns, dass die Häuser in Neochori mehrheitlich griechischen Gastarbeitern aus Deutschland gehören, die jungen Einheimischen sind fast alle abgewandert, viele in EU-Länder. Sie beide verbringen jeweils einige Monate hier und einige Monate in Deutschland. Wir freuen uns sehr über die Bekanntschaft mit ihnen und ziehen voller Energie weiter.

Bei Anna und Vangeli in Neochori

Doch nun folgt der zähe Teil des Tages, gut geplant in der Nachmittagshitze: rund 8 km der befahrenen Strasse entlang. Ein Gewitter rumpelt im Hintergrund, doch heute kommen wir trocken davon. In Paramythia gönnen wir uns ein Hotelzimmer im historischen Gebäude des Hotels 1872. Definitiv ein guter Entscheid, die nette Besitzerin überlässt uns die 2-stöckige Suite zum Normalpreis.

Wie Neugeboren nach dem Badewannenbesuch
Aus dem 2. Stock wird eine Waschaufhängevorrichtung
Hotel 1872 – historisches Gebäude mit unserer Suite im Giebel
… und romantischem Garten
Paramythia – Seniko / Tagesmotto: on the road again

Zum Glück können wir den Passaufstieg der Strasse entlang am Morgen noch im Schatten gehen, so ist es knapp erträglich.

Schöne Ausblicke aber leider führt der Weg zu oft auf der Strasse

Oben angekommen, gehts der alten Passstrasse entlang weiter, sehr viele Autos kreuzen uns, typische Sonntagsfahrt nach Erich Kästners Motto ‚Im Auto über Land‘. Mehrere hupen und winken uns, einige machen Mitten auf der Strasse Halt um auf Deutsch eine gute Reise zu wünschen. Anscheinend sind nur deutschsprachige so verrückt, stundenlang den Strassen entlang zu wandern. Gestern sind wir mit ‚Hopp Schwiiz’ angefeuert worden, das Fähnchen am Rucksack ist wie das Nummernschild des Fahrzeugs und uns überholende Autos hupen und winken regelmässig.

Alpaufzug auf griechisch?
Eine Strasse für alle

Nach 14 Strassenkilometern freuen wir uns endlich wieder auf Wanderwege, doch auch hier ist der Weg weg. Wir planen unsere Route komplett neu bis Ioannina, losgelöst von der E6.

Durchs neu planen kommen immer mehr Kilometer hinzu bis Ioannina, unserem nächsten Etappenziel

Ein versöhnlicher Abschnitt folgt, Flora und Fauna lassen uns immer wieder staunen.

Abwechslungsreiche Landschaft
Beeindruckender Ahorn
Zwei Heilige Pillendreher beim Abtransport einer Kotkugel – dann doch lieber unser Rucksack
Trauermantel

Am Schatten geniessen wir einen Teil des Lunchpakets von Anna, das frische Gemüse und Obst macht auch müde Männer wieder munter.

Zmittagsplättli
Frisch gestärkt auf Ausschau wonach?

Der Nachmittag ist heiss, die Wassersuche schwierig. In der Nähe des Weilers Seniko entdecken wir doch noch ein plätscherndes Bächlein, auch für die Füsse ist das frische Wasser eine kleine Himmelsfahrt.

Zur Sicherheit filtern wir das Wasser

Jetzt können wir endlich einen Schlafplatz suchen und werden auch bald fündig. Ziemlich erschöpft mit fast 30 km in den Beinen legen wir uns erstmals ins hohe Gras. Unzählige kleine Erdbewohner ziehen uns in den Bann: sie krabbeln, surren, fliegen und zirpen um uns herum. Unglaublich wie viele Insekten hier noch einen Lebensraum finden. In der Schweiz ist der Bestand in den letzten 20 Jahren um 70 % zurückgegangen. Traurig, wie wir die Natur ausbeuten.

Auch noch aus Annas Wegzehrung, herzlichen Dank!

Die Temperatur im Zelt ist auch nach dem Eindunkeln fast tropisch, so lassen wir das Aussenzelt offen. Fliegen da UFO‘s um uns herum? Schon leicht schläfrig erkennen wir dann, dass Glühwürmchen mit uns morsen möchten, wir verstehen zwar nichts sind aber dennoch verzaubert!

Seniko – Marmara / Tagesmotto: schöner als erwartet

Endlich ein Tag mit tollen Wegen und wenig Asphalt! Vor allem der Vormittag entfaltet sich zu einem richtig freudigen Wandergefühl. Auch mehrere Nachtigallen scheinen den Tag zu loben, denn ihr Gesang hallt mehrmals von den Bäumen.

durch dick und dünn machts mehr Spass
Die wenigen Flüsse sind ursprünglich und unverbaut
Grosser Schillerfalter

Immer wieder passieren wir kleinere Ortschaften, viele sind verlassen. Aber in einigen gibts doch noch Leben und sogar ein offenes Restaurant! Einfach vorbei ziehen kommt nicht in Frage, wir haben ja viel Zeit… Und der Eiskaffee auf der schattigen Terrasse holt uns dann definitiv in den heutigen Tag. Die Route führt uns immer wieder in angenehmem Auf und Ab über Hügelzüge. Wir kommen auch heute gut voran, eigentlich wollten wir den Einstieg sanfter angehen. Aber unsere Körper erkennen das Weitwandern vom letzten Jahr wieder und sind rasch im Rhythmus. Nur leichte Beschwerden wie etwas schwere Beine, schmerzende Schultern vom Rucksack und eine kleine Blase an Sonjas Fusssohle deuten darauf hin, dass unsere Fitness noch Steigerungspotenzial hat. Aber mit jedem Tag nehmen diese Begleiterscheinungen an Intensität ab.

Wo sind wir?

Die Gastfreundschaft hier ist wirklich besonders herzlich, auch heute werden wir unterwegs spontan zu einem Kaffee eingeladen und die Verkäuferin im Minimarkt schenkt uns zwei Bananen. Ob dies in touristischen Regionen auch so sein wird?

Spontane Einladung zum Kaffee, wenn wir wieder vorbei wandern, dann sollen wir wieder vorbeischauen!
Apéro auf dem verlassenen Dorfplatz, immerhin ist der Minimarkt noch offen. Wie lange wohl noch?

Was uns aber auch wieder negativ auffällt, ist die Abfallentsorgung. Zwar ist die Verschmutzung nicht ganz so extrem wie im Balkan aber auch hier werden Haushaltgeräte, Möbel, Autoreifen etc. in Bachbetten illegal entsorgt. Seit Kurzem hat die Umwelt ein zusätzliches Accessoire der hygienischen Menschheit im Repertoire!

Was halten die Tiere von der menschlichen Hygiene? Scheiss drauf!

Die Suche nach einem Schlafplatz verschafft uns dann noch einige Zusatzkilometer, denn das Gelände ist sehr steinig gegen Abend. Zudem möchten wir wenn immer möglich etwas sichtgeschützt biwakieren, Einheimische haben uns erzählt, dass hier auch Flüchtlingsrouten durchgehen und dass es sicherer sei, ihnen nicht zu begegnen. Etwa 2 Wanderstunden vor Ioannina werden wir dann doch noch fündig, bellende Hunde vom Hof in der Nähe irritieren uns etwas, aber die schlafen hoffentlich auch irgendwann. Einen zweiten bangen Moment haben wir, als die Bäuerin mit lauten Rufen die Kuhherde auf die Nachtweide treibt, aber sie zieht zum Glück an uns vorbei und dann bleibt nur noch das Vogelgezwitscher bis zum Eindunkeln.

Gut haben wir am Nachmittag unsere Schlafausrüstung getrocknet, beim Zelt aufstellen ist die Sonne bereits hinter den Bergen verschwunden

Obwohl wir gut getarnt auf einer unbenutzten Weide umgeben von Hecken und Gestrüpp schlafen, erleben wir eine unserer lautesten Nächte: die Hunde haben noch lange Ausdauer, eine Wildschweinfamilie ist ganz nah auf Nahrungssuche, ein Töfffahrer dreht seine Runden, und mehrere Flugzeuge dröhnen über uns hinweg.

Marmara – Ioannina / Tagesmotto: zurück in der Zivilisation

Wir haben tatsächlich in relativ dicht besiedeltem Gebiet übernachtet, kaum verlassen wir unseren geschützten Platz, kreuzen wir eine Schafherde mit Hirtin, mehrere Höfe und bellende Hunde.

Auch Frühaufsteher

Der Weg gibt nicht mehr viel her bis Ioannina, bald sind wir in der Agglomeration.

Auf den letzten Metern

Fast bei jedem Haus bellt uns mindestens ein aufgeregter Hund hinter Gittern nach.

Hunde haben hier eine sehr andere Rolle als bei uns

Noch tief im Vormittag erreichen wir unser erstes Zwischenziel. Am Nachmittag möchten wir mit dem Bus nach Kalambata fahren um dort zwei Pausentage mit Ausflug zu den Klöster von Meteora einzulegen. Bis zur Abfahrt chillen wir es am See und in Cafes.

Ankunft in Ioannina
1. Zwischenziel geschafft
Igoumenitsa – Ioannina. Unten die geplante Tour (E6), oben unsere angepasste und gelaufene Strecke

6 Kommentare

Ilvy · Juni 15, 2021 um 23:05

WOW 🤩! Vielen Dank für diesen tollen Reisebericht! Wünsche euch weiterhin eine gute Wanderschaft, viele schöne Begegnungen und Erlebnisse. Herzliche Grüsse aus Schweden 🇸🇪 🙏❤️. Ilvy.

Reini · Juni 15, 2021 um 22:33

Könnt Ihr schon die Namen auf den Ortsschildern entziffern?
Danke für den anschaulichen Bericht mit den vielen Fotos… ja für was die Masken im Notfall gebraucht werden können….

Sonja · Juni 15, 2021 um 19:26

Wünsche euch eine tolle abenteuerliche Reise mit vielen guten Ergebnissen. Liebe Gruß Sonja

Trudi · Juni 15, 2021 um 14:16

Wie ich schon gesagt habe „verrücktes Paar“! Solche Abendteuer soll mal einer nachmachen. Auch meine Wunsch ist es, wieder mal in Griechenland zu wandern und die griechische Gastfreundschaft zu erleben. Doch auf solche Wanderungen werde ich wohl noch eingie Zeit warten müssen, bis ich mich besser erholt habe. Weiterhin viel Erfolg und Freude auf eurer Tour wünscht Trudi

Pia · Juni 15, 2021 um 13:49

Danke fürs Teilhabenlassen an eurem Unternehmen. Alles sieht vielversprechend aus. Ein wunderbares Abenteuer, vielleicht nicht nur. Warm ist es unterdessen auch hier. Hände gut! Und grüsst mir die Olivenhaine.

Tatjana Parmakovic · Juni 15, 2021 um 13:11

So schön die Gegend.
Sieht noch ziemlich grün aus für die Jahreszeit.
Leckeren Feta mit Olivenöl direkt vom Erzeuger, lecker 😉
Weiterhin gut Fuss.
Liebe Grüsse Tatjana

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert