Die vier möglichen Szenarien, welche wir Mitte März angedacht haben, verabschieden sich in numerischer Reihenfolge. Im Moment ist es fast unmöglich, (Reise-)Pläne auszudenken. Dennoch haben wir immer noch den Wunsch und die Absicht, im 2020 zu Fuss und nur mit dem Nötigsten im Gepäck einfach zu wandern. Die Schweiz verfügt schliesslich über ein Wanderwegnetz von 65‘000 km, das Fünfzehnfache des Pacific Crest Trail. In 7 ½ Jahren kommen wir wieder!

Eigentlich hätten wir beide in zehn Tagen unseren letzten Arbeitstag, glücklicherweise haben unsere Arbeitgeber den Vertrag ganz unkompliziert um einen Monat verlängert. Wie und wo wir im Mai wohnen werden ist noch offen. Die Wohnung von Thomas ist per 1. Mai vermietet und Sonja wohnt ja schon länger in einer Pre-Senioren-WG. Aber es gibt bestimmt eine gute Lösung.

Das tönt jetzt alles so emotionslos und sachlich, aber es wirbelt schon in uns. Immerhin müssen wir uns von den Plänen verabschieden, welche wir nun mehr als ein Jahr intensiv vorbereitet haben. Luxusprobleme, das ist so. Dennoch philosophieren wir regelmässig zusammen in der Wohnzimmer-Isolation bei einem Glas Wein über den Umgang der Menschheit mit dieser herausfordernden Situation. Überleben – zu jedem Preis! Das hat wohl nichts mehr mit dem Üben des Erlebens zu tun. Unsere „entwickelte“ Gesellschaft der 1. Welt hat verlernt, dass der Tod Teil des Lebens ist. Wir glauben, dass wir alles mit unserem Wissen und Geld erzwingen können. Unser höchstes Gut ist, möglichst ALLE Menschen am Leben zu erhalten. Jeder Verstorbene ist ein Zeichen des Versagens. Bis heute 4. April 2020 sind in der Schweiz 621 Todesopfer des Coronavirus gezählt, das sind 0,007% der Schweizer Bevölkerung. Zum Vergleich: während der Pest (1346 – 1353) sind in Europa schätzungsweise 25 Millionen Menschen aller Altersklassen verstorben, rund 33% der damaligen Bevölkerung.

Unzählige hochbetagte Menschen verbringen gerade jetzt sehr lange Tage in Einsamkeit, Angst und Traurigkeit. Vielleicht sind es ihre letzten Wochen.

Unzählige Menschen werden ihre finanzielle Grundlage verlieren. Auch die Unterstützungen des Bundesrates werden dies nicht verhindern können.

Unzählige Frauen, Männer und Kinder erleben in diesen Zeiten massive häusliche Gewalt. Sind einfach ausgeliefert.

Überleben – zu welchem Preis?

ABER: vielleicht lernen wir als Gesellschaft etwas daraus. Vielleicht schätzen wir die Ruhe wieder mehr. Vielleicht geben wir uns auch nach der Aufhebung der verschärften Kontaktmassnahmen hin und wieder in freiwillige Isolation und lassen auch mal eine Lücke frei im Terminkalender. Vielleicht kann es sich eine Mehrheit nicht mehr leisten, übers Wochenende zum Shopping nach New York zu fliegen. Das WC-Papier, die Nudeln und die gefrorene Hefe reichen ja wohl noch in vielen Haushalten bis 2030. Vielleicht können wir uns auch vorstellen, Ferien in der Schweiz zu verbringen. Vielleicht achten wir bei unserem Einkauf vermehrt auf lokale Produkte. Und vielleicht haben wir den Mut, mit unseren Liebsten offen über das Sterben zu sprechen um zu erfahren, was ihnen wichtig ist am Lebensende. Auch der Hausarzt unterstützt in diesen Fragen und beim Ausfüllen der Patientenverfügung.

Wir wünschen uns, dass wir alle wieder lernen, mit der Natur zu leben und nicht gegen sie. Denn sie wird sowieso gewinnen, wir Menschen sind nur Gast auf der Erde und sollten dies besser respektieren. Jeder von uns kann etwas dazu beitragen. Im Kleinen beginnen die grossen Dinge, das zeigt uns dieser Virus ganz deutlich.

Bliibet xund!


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