Entspricht im Rother-Führer Etappe 46

Unser letzter Wandertag dieses Blockes steht zusammen mit uns in den Startlöchern. Der Wind hat abgestellt und die Wetterprognosen für heute sind optimistisch, so wählen wir als Schlussbouquet die Alpine Variante mit dem Passübergang über den Colle d‘Enchiausa.

Schon bald kommen wir durch das schmucke Dörflein Chiappera und bei den Quellen der Maira vorbei.

Chiappera noch im Schlafmodus
Die Maira-Quellen: an mehreren Stellen drückt das Wasser der Maira aus dem Boden

Und dann geht‘s noch einmal aufwärts, und zwar nicht zu knapp. Zuerst recht ruppig durch einen immer lichter werdenden Lärchenwald, mit der Zeit wird dann das Gelände sanfter, dafür jedoch die Kulisse herber. Die Ausblicke in alle Richtungen sind atemberaubend.

Und plötzlich öffnet sich ein neues Fenster
Was für ein Ausblick

Das Bivacco Bonelli geniesst Monopolstellung am türkisblauen Bergsee ‚Lago d‘Apsoi‘, wir halten weiter aufwärts denn der Passübergang ist noch in weiter Ferne.

Lago d‘Apsoi mit dem Bivacco Bonelli ganz rechts
Betörendes türkis im Spiel der Wolken

In einer Hangquerung hoch über dem See ist an zwei Stellen der Weg etwas abgerutscht, vielleicht ja beruhigend dass ein Abrutschen mit einem erfrischenden Bad enden würde.

An zwei Stellen ist die die Querung im Hang etwas verschoben, doch insgesamt eine gut machbare Variante bei trockenen Verhältnissen

Die grünen Flächen werden nun von einer Steinöde abgelöst, ein richtiger Schutthaufen breitet sich zur Querung vor uns aus.

Aufstieg über die Steinöde
Doch auch in diesem kargen Gelände gelingt es der Natur, bunte Farben hervorzuzaubern: hier verzaubert uns das Alpen-Leinkraut

Kurz vor dem Übergang wirds dann nochmals richtig spannend, ein steiler Zickzackweg führt auf den Colle d‘Enchiausa. Heute definitiv kein Gratis-Pass!

Der Schlussaufstieg zum Colle d‘Enchiausa ist nicht ganz gratis

Der tolle Ausblick entschädigt für die Strapazen, in diesem Moment denken wir auch noch nicht an den Abstieg. Aber sicher ist, wir müssen wieder runter!

Auf dem Colle d‘Enchiausa tanzen wir unser Gipfelritual, der Stinkefinger hoch über uns kann uns Mal
Noch ein letztes Trio-Nesselbach-Passübergang-Selfie in diesem Wanderblock, aber wir kommen wieder!

Doch wir wollen ja nicht hier oben biwakieren, so nehmen wir den Weg nochmals unter die Füsse und steigen ähnlich steil ab, wie hoch. Bald schon wird die Wegführung angenehmer, einzig die Steinauslage verwandelt ihn hin und wieder in eine Rolltreppe.

Das erste Stockwerk haben wir über die Stein-Rolltreppe überwunden

Noch einmal können wir uns an den zahlreichen Wunderwerken der Natur erfreuen, so viele verschiedene Pflanzen leuchten aus allen Ecken. Gemäss Bätzing findet man unter anderem in den Cottischen Alpen die grösste Artenvielfalt in den Alpen. Und nun ist die perfekte Jahreszeit um diese zu bestaunen.

Kugelblume: fast wie unsere kugelrunden, wohlgenährten Bäuche
Narzissenlauch: Suppengemüse am Weg
Üppige Edelweiss oder auf italienisch fast noch schöner: Stelle Alpine (Alpensterne)
Alpen-Helmkraut
Berg-Hauswurz: nicht zu verwechseln mit dem wohlduftenden Hausfurz

In Viviere nehmen wir beim total hübschen Rifugio unseren letzten Piemonter Apéro ein. Es braucht nicht viel zum vollkommenen Glück.

Zum vollkommenen Glück brauchts nicht viel

Nur noch 3/4 h Gehzeit bis Chialvetta fehlen. Etwas wehmütig wird uns bewusst, dass wir an unserem diesjährigen GTA-Schlusspunkt eingetroffen sind und bald wieder in die Alltagsstruktur einfädeln müssen. Viele tolle Erinnerungen werden uns dies hoffentlich erleichtern.

Die Alltagsstruktur wartet auf uns
Der Wanderkreis ist geschlossen, unsere Füsse haben uns über all die Steine und Wurzeln sorgfältig getragen

In Chialvetta verbringen wir unseren Schlussabend mit den vier Allgäuer-Ladies am Tisch, welche seit 2 Tagen im selben Rhythmus wie wir wandern. Beim gemeinsamen Nachtessen im ‚Museum‘ realisieren wir, dass wir mit Ingrid eine gemeinsame Bekannte haben, und zwar die Muriel aus unserer Via Dinarica Zeit. Die Welt ist wieder einmal sehr klein!

Am nächsten Morgen heisst es definitiv Abschied nehmen, ein letzter, kurzer Fussmarsch bringt uns nach Acceglio.

Seit zwei Tagen sind wir mit den vier lustigen Allgäuer-Ladies im selben Wanderrhythmus, der Koch und Wirt der Osteria della Gardetta geniesst die Damen-Bio-Diversität offensichtlich
Ob Thomas mit uns nach Hause gereist ist oder sich mit den vier Allgäuer-Ladies weiter auf den Weg gemacht hat? Fortsetzung folgt in einem Jahr… von links: Christine, Ingrid, Conny, Hahn im Korb, Andrea

Von Acceglio ganz hinten im Maira-Tal reisen wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln in 12 langen und teilweise hitzigen Stunden über Cuneo – Turin – Mailand und erreichen am späteren Abend unser Campo Base in Flawil.

Auch Andreas aus Köln ist noch auf der Heimfahrt und nutzt die Zeit, um die Tage mit uns auf der GTA nochmals Revue passieren zu lassen. Hier sein toller Gastbeitrag:

Was für eine schöne Woche! Schon zum zweiten Mal bin ich alleine zur GTA gestartet, da mein langjähriger Mitwanderer auch diesmal nicht dabei sein konnte. Nachdem ich bereits im letzten Jahr drei sehr angenehme ReisebegleiterInnen kennenlernen durfte, war ich gespannt auf dieses Jahr.
Im Refugio Arlaud angekommen, habe ich es mir bei einem Bier auf der Terrasse gut gehen lassen. Nicht lange darauf trafen Sonja, Doris und Thomas ein und bei ihnen war der erste Gedanke ein kühles Bier. Schon bald waren wir mitten im Gespräch, sofern es die zu Beginn noch „hohe Rückfallquote“ ins Schwyzerdütsch auf meiner Seite zuließ.

1. Begegnung mit Andreas im Rifugio Arlaud am 1. Wandertag

Schon am ersten Abend gab es viel zu lachen, die GTA-Definition (Gehen, Trinken, Ausruhen) traf voll mein Humorzentrum. Am nächsten Tag staunte ich nicht schlecht über euer Aufstiegstempo. Ich sagte mir, so sind die Bergvölker halt, da habe ich als Flachländer keine Chance (die Doping-Arbeitsstelle auf dem Jungfraujoch kannte ich da noch nicht…). Ich lief mein Tempo, und bei den Pausen trafen wir uns wieder. Wenn ich mal leichtsinnig beim Aufstieg voran ging dauerte es nicht lange und der Glacier-Express setzte zum Überholen an.

Eure Ungezwungenheit, Lebensfreude, Offenheit und die menschliche Zugewandtheit haben die Woche für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. Wir haben viel gelacht. Vielen Dank dafür an euch, hoffentlich sehen wir uns wieder.
Andreas

Andreas: Danke für deine herzliche, humorvolle, interessante und bereichernde Gesellschaft

Nach vier Jahren GTA-Abstinenz und Wandermonaten auf dem Balkan, waren wir gespannt, ob wir wieder so begeistert sein werden, wie in unserer Erinnerung. Die Antwort ist ganz klar JA! Unvergessliche 10 Wandertage in umwerfender Kulisse und traumhafter Pflanzenwelt leben in Bildern in uns weiter. Die Begegnungen mit spannenden Menschen sowie die kulinarischen Höhenflüge runden das Erlebnis positiv ab. Das Wetter hätte besser nicht sein können, wenn Engel reisen…

Wetterglück für Engel auf Reisen

Anders als im Norden ist der Abschnitt um den Monviso deutlich belebter, die Touren alpiner. Ein Vergleich ist dadurch schwierig, beides hat seinen Reiz. In den 10 Etappen sind wir 167 km weiter gekommen und haben 11600 HM überwunden. Wir hoffen fest, nächstes Jahr wieder ab Val Maira weiterzuwandern, immer noch mit dem Ziel Ventimiglia. Vielleicht wandert ihr ja dann wieder lesend mit uns! Bis dann allen eine tolle Zeit in der Natur und den Bergen, geht raus und geniesst!

Wir haben unser Herz auf der GTA verloren

Fazit des Tages: nach der GTA ist vor der GTA!

Campo Base – Chialvetta über den Colle d‘Enchiausa

3 Kommentare

Sandro · Juli 17, 2023 um 00:58

Hoi zaeme! Wirklich eine schoene und spezielle Wanderungen an einem Ort von dem ich ehrlich gesagt noch nie gehoert habe (sorry fuer meine Ignoranz). Bin mit Euch in Gedanken aber doch auch mitgewandert und habe mir alle Eure Tagesberichte „angetan“. ha ha. Hat Spass gemacht! Super! Gruss aus dem kalten Winter in Argentinien! Ein alter Nachbar und Schulkollege Sonias…. abrazo Sandro

Elisabeth Zürcher · Juli 16, 2023 um 17:31

Ich habe eure Wanderung in Gedanken mitgewandert und genossen, ganz ohne Schwitzen und Muskelkater. Herzlichen Dank für die Berichte und wunderschönen Bilder.
Herzliche Grüsse Elisabeth

Reini · Juli 16, 2023 um 09:41

Der steile Zahn auf der ersten Foto hat mich fasziniert. Kann ich den solo haben?
Ihr hatte ja Wetterglück!! 2 Engel 😇😇und ein Bengel😂
Gutes Eintauchen in den Alltag wünsche ich Euch.
Reini

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