Abschied und Neuanfang

Ein Gefühlsmix aus Glück, Freude, Nachdenklichkeit, Ungewissheit und Aufbruchstimmung begleitet uns durch die Tage im Valbona-Tal. Auf jeden Fall geniessen wir ein paar planlose Tage Urlaub und Luxus im tollen Hotel Margjeka im touristisch aufstrebenden Valbona-Tal.

Hotel Margjeka: gut getarnt fast wie im Urwald
Apéro-Plättli auf albanisch

Das Valbona-Tal liegt abgeschieden im Norden von Albanien umgeben von den höchsten Bergen der dinarischen Alpen. Der kürzeste und der eindrücklichste Verkehrsweg ins Tal führt über den Komansee mit einer Fähre. Der Tourismus ist zwar am Wachsen, aber zum Glück alleine schon durch die aufwändige Anreise begrenzt. Die Via Dinarica Einwanderer von Montenegro gehören wohl der Minderheit an.

Valbona-Tal: zieht sich in die Länge und in die Breite

Wie füllen wohl ausgewanderte Weitwanderer ihre neu erhaltene Freizeit? Richtig geraten: die Schnürsenkel werden gebunden und die bergige Umgebung wird zu Fuss erkundet. Ohne Gepäck fühlen sich die Tagestouren wie ausgedehnte Spaziergänge an und eine erste emotionale Verarbeitung der letzten fünf Monate erfolgt im Schritttempo.

Durch die raschelnden Wälder spazieren…
… beim Kafe Simoni einen Plauderhalt einlegen…
…und dabei die Schönheiten der Natur bestaunen
Gipfeltour auf den Maja Ismet Sali Brucaj (2510 MüM)
Eine richtig Alpine Wanderung
Sitzen und staunen
Zu Zweit sitzen und staunen
Maja e Jezercës
Bachbett mit wenig Wasser: vor drei Jahren war es komplett ausgetrocknet
Müllabfuhr: im touristischen Valbona-Tal ist ein kleiner Fortschritt zu erkennen. Wo der Müll hingebracht wird ist eine andere Frage… Zudem erwartet das Tal den Besuch des Ministers und deshalb wird der Müll abgeführt!

Mehr noch beschäftigt uns, wie wir die nächsten Wochen oder Monate gestalten sollen. Ideen hätten wir schon, das grenzübergreifende Reisen ist jedoch durch die Corona-Situation sehr kompliziert und mühsam. Aber Albanien ist gross und eine abrupte Heimkehr ist nicht geplant. Nächste Destination ist Durrës an der Adriaküste, ein Wiler ist dorthin ausgewandert (allerdings nicht zu Fuss) und lebt dort mit seiner albanischen Ehepartnerin, wir möchten sie besuchen.

Unser Blog in der bisherigen ausführlichen Form werden wir mit diesem Rück- und Ausblick beenden. Es hat uns sehr viel Spass gemacht, täglich unsere Erlebnisse auf diese Weise zu verarbeiten und euch gedanklich mit auf unsere Wanderung zu nehmen. Die vielen Rückmeldungen, Nachfragen, Bedankungen, persönlichen Erinnerungen an besuchte Orte, Anteilnahmen und motivierenden Worte haben uns immer wieder enorm gefreut und auch motiviert, unseren Weg weiter zu führen. Nun ist es an uns, euch ein riesengrosses Dankeschön für euer Interesse auszusprechen!

Unser fast schon traditionelles Schlussinterview gibt nochmals einen Einblick in unsere Emotionen, gefolgt von der trockenen Schlussauswertung mit nackten Zahlen.

Was ist für dich der Reiz am Weitwandern und hast du es dir so vorgestellt bei den Vorbereitungen?

Thomas: Für mich liegt der Reiz des Weitwanderns darin, dass man mit Langsamkeit eine im Voraus kaum vorstellbare Distanz überwinden kann. Eine exakte Vorstellung hatte ich nicht, aber eine grosse Zuversicht, dass es mir den Ärmel reinziehen könnte. Und eins kann ich jetzt schon sagen, ich bin noch nicht ausgewandert.

Was würdest du nicht mehr in den Rucksack einpacken?

Sonja: Den Regenschirm würde ich als erstes rauswerfen, die zweite Pfanne hat sich auch als unnötigen Ballast erwiesen. Unsere Nahrungsmittelvorräte waren auch immer grosszügig berechnet, nur nach dem Velebit in Kroatien war der Beutel ziemlich leer. Auch die Jasskarten haben wir ewig nicht mehr gebraucht. Das Gewicht des Rucksacks hat definitiv noch Optimierungspotential.

Könntest du dir auch vorstellen, tagelang bei Regen und Nässe zu wandern?

Thomas: Da triffst du wohl einen wunden Punkt. Mit dem Wandern selbst hätte ich weniger Probleme. Aber bei Nässe das Zelt aufstellen und wieder abbrechen, keine Möglichkeit die Klamotten zu trocknen, das sind nicht die tollsten Momente. Da bin ich definitiv ein Warmdusch-Weitwanderer. Da wir den Luxus hatten ohne Zeitdruck unterwegs zu sein, sind wir den Schlechtwetterperioden meist geschickt ausgewichen.

Was möchtest du mit nach Hause nehmen und in deinen Alltag integrieren?

Sonja: Ein bisschen mehr Gelassenheit und Ruhe. Der Perfektionismus in der Schweiz ist auf einem sehr hohen Niveau, aber auch oft belastend und mit hohen Erwartungen an sich und das Gegenüber verbunden. Gut ist gut genug! Es muss nicht immer noch besser sein…

Gab es Momente, in welchen du dich unwohl gefühlt hast?

Thomas: Die ersten Zeltnächte in Slowenien und Kroatien waren etwas ungewohnt, da man den Schlafplatz mit Bären und Wölfen teilt. Es war zu Beginn eher Respekt, als Unwohlsein, der immer mehr der Freude über die oft intakte und vielfältige Natur wich. In all den Ländern wurden wir mit so viel Herzlichkeit und Dankbarkeit empfangen, dass nie Grund für Besorgnis aufkam.

In Podgorica sah es aus, als wäre der Trail abrupt zu Ende. Wie wäre das für dich gewesen?

Sonja: Wir haben uns in Podgorica tatsächlich schon auf ein Trailende eingestellt, der Maglić wäre ein absolut würdiger Schlusspunkt gewesen. Wir wären genauso zufrieden und stolz auf unseren Weg wie jetzt in Albanien. Aber es freut uns einfach sehr, dass wir nochmals zurück ins Valbona-Tal gekommen sind und hier unsere erste Weitwanderung mit schönen Erinnerungen verbunden beenden konnten. Es fühlte sich ein bisschen an, wie nach Hause kommen!

Rückblick in Zahlen
  • 89‘500 Höhenmeter
  • 4‘238 Fotos
  • 2’356 km Wanderdistanz Kirchberg (CH) bis Valbona (AL)
  • 4’000 gr M&M‘s (Thomas 2‘200 gr / Sonja 1800 gr)
  • 50 Zeltnächte
  • 34 Blog-Einträge
  • 26 Frühstücks-Rakijas (gerecht aufgeteilt 13 / 13)
  • 11 Pflaster (Rücken von Thomas und Knie von Sonja)
  • 5 Paar Schuhe (Thomas 3 / Sonja 2)
  • 2 Coiffeurbesuche von Thomas (die ersten nach über 20 Jahren)
  • 0 Medikamente

Heute ist der 31. Oktober, genau fünf Monate ist es her, seit wir mit unseren Fahrrädern in Huttwil ins grosse Ungewisse geradelt sind. Wenn wir jeweils beginnen, uns gegenseitig Episoden der letzten fünf Monate zu erzählen, so fühlen sich die Erinnerungen teilweise wie aus einem lange zurückliegenden Urlaub an. Ein Zukunftsprojekt ist, dass wir unsere Erfahrungen und persönlichen Geschichten dieser Wanderung in einer Präsentation mit euch teilen möchten. Allerdings soll es kein Maskenball werden sondern ein ungezwungener Anlass mit Bewegungsfreiheit!

31. Mai 2020: Aufbruch beim Lamahof Tschäppel ins Ungewisse
Kategorien: Albanien 2020

6 Kommentare

Thomas Furter · November 4, 2020 um 18:16

Liebe Sonja, lieber Wisi

Ganz herzlichen Dank euch Beiden für die lieben Worte. Unsere Wanderung zeigt uns auf, dass Zeit das grösste Gut des Menschen ist, aber immer rarer wird.

So freuen wir uns auf gemeinsame Zeit mit euch, irgendwann und irgendwo!

Macht‘s gut und herzliche Grüsse

Sonja & Thomas

Wisi Eicher · November 4, 2020 um 14:23

Liebe Sonja, lieber Thomas
Ganz herzliche Gratulation zu eurer grossen Leistung. Die Zusammenfassung in Zahlen bringt uns zum staunen. Das ist fast unglaublich zu was der Mensch fähig ist und ihr habt es bewiesen. Grossartig!
Es war sehr spannend über den Blog in Gedanken bei auch zu sein. Danke auch für diese grosse Arbeit. Nun wünschen wir euch noch entspannte und stimmige Tage in Albanien. Ihr werdet es sicher zu geniessen wissen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen, irgendwann und irgendwo.
Herzliche Grüsse
Sonja & Wisi

Thomas Furter · November 2, 2020 um 18:47

Liebe Elisabeth
Vielen lieben Dank für dein gedankliches Mitwandern, bist du ohne Muskelkater durchgekommen?
Ganz still werden wir schon nicht, einfach nicht mehr in ‚tagebuchform‘ berichten. Aber wer weiss, vielleicht kommen uns noch weitere Weitwanderideen, die Lust darauf ist auf alle Fälle geweckt!

Herzliche Grüsse
Sonja & Thomas

Elisabeth Zürcher · November 1, 2020 um 18:44

Liebe Sonja und Thomas
durch euer Berichten habe ich schöne Momente wie Mitwandern erlebt. Danke dafür! Hoffentlich hören und lesen wir doch wieder ab und zu von euch. In Gedanken reisen kennt gottlob keine Grenzen:-) und braucht keine Maske:-)
Liebe Grüße Elisabeth

Thomas Furter · November 1, 2020 um 15:56

Liebe Trudi

Ganz lieben Dank für deine herzlichen und himmelhoch-lobenden Worte… es freut uns sehr, dass dir unser Blog Spass bereitet hat.
Natürlich darfst du auch zu unserem Vortrag kommen, aber es dauert sicher noch einige Zeit, bis er steht und dann sollte auch die Corona-Situation wieder entspannter sein. Wir werden auf alle Fälle über den ‚Wurzelkocher‘ informieren.
Liebe Grüsse aus Shkoder
Sonja & Thomas

Trudi Bruderer · November 1, 2020 um 13:10

Liebe Sonja, lieber Thomas
Das Durchhaltevermögen, die Ernergie , die Fitness – und immer mit einem glücklichen Lachen auf den Fotos – und noch vieles mehr, bewundere ich bei euch. Es war ein Vergnügen, eure Reiseerlebnisse zu lesen und mit euch ein wenig durch die Länder zu pilgern.
Natürlich erinnere ich mich noch genau an das Valbona-Tal, das wir vor 3 Jahren besuchten und z.T. durchwanderten. Ich freue mich auf euern Vortrag, den ich hoffentlich auch besuchen darf.
Ich wünsche euch einen guten Start wieder in der Schweiz! Herzlichst Trudi

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