Ja, wir sind zurück, zurück in unserer Heimat, der Ostschweiz. Sind wir nun zu Hause? Irgendwie schon und irgendwie doch noch nicht. Zurzeit wohnen wir bei Freunden und Familienangehörigen, was wir extrem schätzen.

Reisebericht im Willisauer Bote

In einem Interview mit Janine Walthert durften wir die Erlebnisse unserer Reise erzählen. Entstanden ist ein toller Reisebericht:

Eigentlich wollten wir unsere Auszeit noch um einige Monate verlängern. Doch die langen, kalten Nächte in Europa und die Corona bedingten Reisebeschränkungen spornten uns spontan dazu an, in die Schweiz zurückzukehren.

Nachdem Albanien Anfang November von der Schweizer Risikoliste entfernt wurde, konnten wir eine direkte Rückkehr in die Schweiz ins Auge fassen. Ansonsten hätten wir einen kleinen Umweg über Kosovo in Betracht gezogen.

Busfahrt Tirana – Zürich

Die einfachste und kostengünstigste Reisevariante wäre per Flugzeug. Das geht uns aber viel zu schnell, zu wenig ökologisch und auch das Abenteuerfeeling hätte uns gefehlt. Deshalb machen wir uns auf die Suche nach Alternativen und finden in Tirana ein Busunternehmen, welches zwei Mal pro Woche in die Schweiz fährt. So reservieren wir zwei Sitzplätze in einem Kleinbus. Die Reise soll uns auf dem Landweg in ca. 36 Stunden zurück in die Schweiz führen.

Ist das wohl eine gute Idee? Müssen wir mit Problemen bei den vielen Grenzübergängen rechnen? Wir prüfen bei allen Transitländern (Montenegro, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Italien) die Bestimmungen und finden keine Hürden. Etwa 6 Stunden vor der Abreise werden wir nochmals vom Busunternehmen kontaktiert, ob wir einen gültigen Covid-Test haben. Wir verneinen, verweisen auf die Transitbestimmungen und verlangen eine Bestätigung, dass es ohne Test klappen soll.

Auf geht’s ins Abenteuer, bezahlt wird bar direkt vor der Abfahrt und eine halbe Stunde früher als geplant startet unser Bus um 19:30 in Tirana, voll beladen mit Gepäck, sechs albanischen Reisenden, uns zwei Heimreisenden und zwei Buschauffeuren. Wir fragen uns warum der Bus so voll gepackt ist, wir Gäste haben jeweils nur ein Gepäcksstück dabei. Dazu aber später.

Kaum losgefahren wird eine Musik-CD eingelegt und fast pausenlos werden wir mit dem Einheitsbrei, der in fast jedem Lokal in Tirana läuft, während der ganzen Fahrt berieselt. Eigentlich ein toller Groove, aber irgendwann sehnt man sich auch wieder mal nach anderen Rhythmen. Wird Thomas diese Reise schadlos überstehen?

Nach einer stündigen Fahrt gibt’s einen ersten Zwischenhalt im albanischen Lezhe, dem Hauptsitz des Busunternehmens. Wir erhalten alle vom Geschäftsführer persönlich ein Fahrticket von Tirana nach Brüssel, obwohl alle in die Schweiz wollen und wir werden gebeten an den Zöllen das Fahrziel Brüssel anzugeben. Wir vermuten, dass so die mitgebrachte Ware nur einmal an der EU-Grenze verzollt werden muss.

Vor dem Grenzübergang nach Montenegro wird ein nächstes Mal bei einem kleinen Supermarkt gestoppt, Zeit für einen ersten WC-Halt und die letzten Leks in Ess- und Trinkbares umzuwandeln. Die beiden Chauffeure decken sich mit Hochprozentigem ein, zum Glück nicht für den Eigengebrauch während der Fahrt.

Die Einreise mit einer kurzen Passkontrolle nach Montenegro verläuft problemlos. Wir sind das erste Mal erleichtert und versuchen etwas Schlaf zu finden. Um 2 Uhr morgens treffen wir bereits an der Grenze nach Kroatien und zugleich der Grenze zur EU ein. Und wieder eine Passkontrolle für alle. Wir beiden werden sofort durchgewinkt und müssen zu Fuss ca. 100 m über die Grenze. Hmm, wo bleiben unsere albanischen Mitreisenden? Alle stehen versammelt vor dem Zollhaus und nach etwa einer halben Stunde kommt ein erster junger Mitreisender zu uns. Auf die Frage, was das Problem sei, wird uns klar, dass alle Albaner einen gültigen Covid-Test benötigen für Reisen nach Europa, und zwar werden nur Tests vom amerikanischen Spital in Tirana akzeptiert. Leider erfüllt nur ein Mitreisender diese Bedingung, also heisst’s weiter in der Kälte draussen abwarten. In der Zwischenzeit wird der gesamte Bus untersucht und das viele Gepäck kontrolliert und verzollt. Die Koffer sollen Bestellungen aus der Schweiz und Italien sein (Kleider, Kinderwagen, Esswaren, Honig und viel, viel Rakija).

Nebst unserem Kleinbus steht bereits bei unserem Eintreffen ein Car mit albanischem Kennzeichen am Zoll. Etwa 6 Polizisten und Grenzwächter öffnen mit Werkzeug bestückt Seitenwände, Gepäckstüren und Reserverad. Passagiere sehen wir keine, die Polizei versucht sich ohne Erfolg mit den drei albanischen Buschauffeuren zu unterhalten. Unser junger Mitfahrer wird gebeten als Übersetzer im Geschehen mitzuwirken. Die Ausbeute war recht ansehnlich, es wurden 40kg Drogen im Reserverad gefunden!

So stehen wir plötzlich wieder alleine und warten auf unseren Bus. Nach ca. 2 Stunden steigen unsere Mitfahrer wieder ein, was Hoffnung weckt. Doch zu früh gefreut, der Bus kehrt um und fährt zurück Richtung Montenegro. Die Grenzpolizei beruhigt uns insofern, dass der Bus in ca. 10 Minuten zurückkehren wird. Die anderen albanischen Mitfahrer müssen wegen ungültiger Coronatests zurück nach Montenegro gebracht werden.

Unser einziger albanischer Mitreisender kehrt in der Zwischenzeit zu uns zurück und bald auch unser Bus. Morgens um 4 Uhr geht die Reise weiter zu Fünft. Noch stehen fünf weitere Grenzübergänge vor uns, war das wirklich eine gute Idee? Thomas ist wie gewohnt zuversichtlich. So passieren wir die Grenze nach Bosnien und bald darauf wieder zurück nach Kroatien problemlos. In der Morgendämmerung erkennen wir das Velebit-Gebirge, welches wir vor zwei Monaten noch mit Muskelkraft gequert haben. Eindrückliche Momente und ein bisschen Heimweh nach dem einfachen Leben unterwegs zu Fuss.

Pausen gibt es nur an Raststätten, kurze Verpflegungs- und Pinkelpausen. Der Grenzübertritt nach Slowenien in den Schengenraum verläuft ebenfalls ohne Hindernisse. In Slowenien gibt es eine kleine Zwangspause, da ein Pneu durch einen Stein entlang der kroatischen Küste verletzt wurde. Wir nutzen die Zeit, um uns an einem Tankstellenshop zu verpflegen. Allerdings werden wir sofort wieder aus dem Shop geschickt, da Transitreisende nicht bedient werden dürfen. Auf welchem Planeten wohnen wir wohl?

Während der gesamten Fahrt sind unsere Chauffeure fleissig am Telefonieren. Das mitgebrachte Gepäck soll unterwegs an die Auftraggeber verteilt werden. So wird ein erster Teil der Ladung an einer Raststätte in der Nähe Mailand an einen Kunden übergeben. In Italien werden auch wir Transitreisenden wieder bedient. Im Shop kaufen wir eine Flasche Rotwein, man weiss ja nie, wie lange die Reise noch dauert. Obwohl, jetzt fehlt ja nur noch ein Grenzübergang zurück in die Heimat.

Kurz nach dem Eindunkeln erreichen wir die Schweizer Grenze und hoffen auf einen zügigen Grenzübertritt, um in Zürich noch den letzten Zug zu erwischen. Doch unser albanische Kleinbus muss erst mal eine halbe Stunde warten, bis er mit grossem Interesse unter die Lupe genommen wird. Man glaubt unseren Chauffeuren nicht, dass der Bus nach Brüssel fährt, nachdem wir unsere Schweizer Pässe gezeigt haben. Und dann die grosse Frage, wem all dieses Gepäck gehört. Zu viel Material für zwei Chauffeure, also wird alles ausgeräumt und auch der Bus wird genauer untersucht. Die Ausbeute von etwa 20 Litern Rakija überrascht uns nicht und bedeutet eine saftige Busse. Die Fahrt mit drei Passagieren geht finanziell niemals auf, alleine die Autobahngebühren und der Treibstoff kosten mehr als unsere beiden Fahrtickets.

Nach einer halben Ewigkeit darf wieder alles verstaut werden und wir passieren endlich die Schweizer Grenze. Nach mehr als vier Monaten sind wir wieder auf Schweizer Boden. Um 01:30 Uhr treffen wir in Zürich ein, der letzte Zug ist längst weg. Lohnt es sich, das Zelt in einem Park aufzustellen oder finden wir einen warmen Platz im Hauptbahnhof bis zum ersten Zug? Der HB ist komplett verschlossen, so suchen wir etwas entnervt einen Park auf. Die Nacht ist angenehm und unser Zelt bleibt im Rucksack. Wie vorausschauend war doch unser Einkauf in Italien, wir stossen mit einem Glas Wein auf unsere gesunde Rückkehr am 11. November 2020 an.

Kategorien: Albanien 2020

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