Nach drei intensiven und abwechslungsreichen Besuchswochen in der Nähe von Freunden und Familie werden die Wander-Distanzen zunehmend länger. Zum ersten Mal werden wir uns vier bis fünf Tage gegenseitig unterhalten müssen. Die guten Wetterprognosen stimmen uns positiv und öffnen uns die Tore zu den Bergen.

Am Sonntag wollen wir von Gams aus möglichst viel Distanz gewinnen und folgen dem Schlossweg von Werdenberg bis Sargans. Unterwegs in einer Besenbeiz treffen wir auf einen unterhaltsamen, bärtigen Mann. Er meint, dass er auch gerne wie wir zu Zweit unterwegs wäre und Thomas ein grosser Glückspilz sei mit seiner Partnerin Sonja. Wir freuen uns über ein gekühltes Getränk.

Rebberge im Rheintal

Wir nähern uns Sargans, die Autobahn dröhnt aus dem Tal. Die Suche nach einem geeigneten Zeltplatz erweist sich als schwierig. Wir haben uns schon damit abgefunden, dass wir wohl nochmals eine Wanderstunde anhängen müssen und dann hoffentlich im Weisstannental mehr Glück haben werden. Obwohl unsere Beine und Schultern uns sagen: jetzt geits fascht nümm. Im letzten Moment passieren wir die Kapelle St. Sebastian unterhalb vom Schloss Sargans und finden doch noch ein Stück ebenen Boden. Zentrale Lage, Rundumsicht, Brunnen, Einkaufsmöglichkeiten und Bahnhof in unmittelbarer Nähe, ein Wunder dass nicht schon ein Zelt dort steht!

Unterschlupf bei der Kapelle
Mobile Küche

Stadtgeräusche holen uns früh aus dem Schlaf, ein ungewohntes Erwachen im Zelt. so nah an der Zivilisation. Im Kräutergarten der Kapelle pflückt eine Frühaufsteherin bereits Blüten und begrüsst uns lachend. Der Vorteil der zentralen Lage: frischer Cappuccino gibts gleich um die Ecke. Es beginnt wieder zu tröpfeln und Thomas wirft die Frage auf, ob wir uns ein Halbeli Weissen gönnen sollen. Aber das Wetter können wir ja nicht schön trinken und so brechen wir ohne Wein auf.

Heute Montag gehts Richtung Elm, soweit uns die Füsse tragen. Das Weisstannental ist recht wild, Wasserfälle markieren Präsenz und beeindrucken uns mit ihrer Wucht. Auch stossen wir immer wieder auf seltene Pflanzen. Reini unser Pflanzenkenner hilft uns aus der Ferne bei der Bestimmung, danke!

Der seltene braune Storchenschnabel

Nach einer ersten Steigung zieht sich das Tal fast endlos dahin. Da wir auf der Via Alpina wandern, begegnen wir mehreren Mitwanderern mit ähnlichen Rucksäcken. Auf der Alp Siez legen wir eine erste Pause ein. Wir steigen noch ein paar Höhenmeter auf und finden bei der Alp Walabütz direkt unter einem imposanten Wasserfall zwischen halbvertrockneten Kuhfläden einen tollen Platz für die heutige Nacht. Und auch der Himmel wird je länger je blauer.

Schlafplatz unter dem Wasserfall

Erstmals versuchen wir ohne Aussenzelt zu schlafen, denn die Nacht verspricht eine Sternenausstellung darzubieten, der Mond wird kein Fremdlicht beisteuern. Es ist noch hell, als wir in in unsere Schlafsäcke schlüpfen und bestaunen die aufkommende Nacht. Es schläft uns weg, doch irgendwann erwachen wir und bestaunen den Lichtstrahl am Himmel. Natürlich, die Milchstrasse… eigentlich logisch auf der Milchkuhalp!

Schlafplatz mit Aussicht

Das ist die schöne Erfahrung, aber am Morgen ist doch alles recht feucht, wie z.B. der Schlafsack und das ganze Innenzelt. Wir lernen täglich dazu!

Morgenstimmung – dank der Feuchtigkeit sind wir für einmal Frühausteher

Erstmals stahlblauer Himmel seit Langem – endlich wieder Sommer! Der Aufstieg auf den Foopass ist zweigeteilt, zuerst recht steil, matschig, ruppig. Doch ab der Fooalp wirds optisch und auch beinisch lieblich. Neugierige Murmelis, stolze Enziane und ein wunderschönes Panorama locken uns Schritt um Schritt den Pfad hoch.

Murmeli in unmittelbarer Nähe
Enziane blühen um die Wette
Panorama in Distanz

Auf dem Foopass gibts einen ersten Gipfelschnaps bzw, Passschnaps und andere Delikatessen aus unserem Fressbeutel.

Foopass mit guter Aussicht in Nähe und Distanz

Der Abstieg nach Elm zieht sich ähnlich lang wie der Aufstieg auf der St. Galler-Seite.

Abstieg mit Ausblick

Das Gewicht der Rucksäcke drückt beim Abstieg auf unsere Füsse und der dezente Schweissgeruch ruft nach frischem Wasser. So ist für uns klar, dass wir nach einer kleinen Stärkung im Dorf und Einkauf für den Znacht, ein idyllisches Nachtplätzchen in der Nähe des Sernf-Baches suchen.

Direkt am Bach

Nach einen Body- und Kleiderwaschgang kommt wieder richtig Ferienstimmung auf.

Ferienstimmung auch mit Waschtag
Fusswohl = Alleswohl

Ein feines Nachtessen, Pasta mit Gorgonzola, Salat und einem Glas Nero d‘Avola wartet auf uns. Heisst für uns Gaskocher einheizen und im Pfännchen bruzeln lassen, geniessen, geniessen, geniesssen und der Abwasch im Freien danach.

Küchenarbeit in 5 Minuten erledigt

Bereits ist wieder Mittwoch, die Zeit läuft mit uns. Morgen wollen wir auf der Alp Prada sein, ein realistisches Ziel. Der Weg dorthin führt über den Panixerpass. Auch dieser Anstieg verläuft sanft im engen Tal hoch. Zum Glück hält sich die Sonne hinter den beinahe senkrecht hochragenden Felswänden verdeckt, so ist die Hitze erträglich. Einsam steigen wir gemütlich höher, eine Gemse begrüsst uns mit unverständlichem Fauchen.

Aufstieg zum Panixerpass

Kurz vor dem Passübergang am Häxenseeli legen wir eine längere Pause ein und können uns grad nichts Schöneres vorstellen.

Häxenseeli mit Blick Richtung Elm
Das Glück gefunden

Ausser vielleicht ein Flug auf dem Besen über die Schneefelder und den von der Schneeschmelze reissenden Bach würden wir wohl nicht abweisen, aber es bleibt uns nichts anderes als unsere Füsse.

Unfreiwillige Kneippeinlage
Unmittelbar vor dem Passübergang

Oben auf dem Pass treffen wir auf drei Pensionäre, im Gespräch erzählen wir von unseren Wanderplänen. Auf die Frage, ob wir denn schon lange unterwegs seien, antworten wir synchron mit ‚nein‘. Das Zeitgefühl ist schon jetzt verschoben, denn für unsere Gesprächspartner sind 3 1/2 Wochen unterwegs schon sehr lang.

Der Abstieg Richtung Obersaxen ist deutlich ruppiger, hat teilweise alpinen Charakter. Der Weg ist den Opfern der russischen Armee unter General Suworow beim Rückzug im Jahre 1799 gewidmet. Damals kamen rund 7000 Soldaten ums Leben, ein Teil von ihnen stürzte über den markanten Felsabsatz.

Abstieg auf dem Suworow-Weg
Gedenktafel
Unterwegs nach Panix (Pigniu)

Mehrmals passieren wir Weiden mit Mutterkuhhaltung. Die Bitte, Distanz zu halten, ist nicht immer leicht umzusetzen, zum Beispiel wenn das Kälblein direkt auf dem Weg seinen Durst stillen möchte.

Frischmilch

Kurz vor Pigniu (Panix) finden wir recht müde auf einer unbenutzten Kuhweide zwischen halbvertrockneten Kuhfladen den Schlafplatz für diese Nacht. Fazit vom heutigen Tag: erster Wandergeheimtipp aus der Wurzelküche, sehr abwechslungsreiche Tour aber auch recht lang.

erholsamer Schlaf bei Glockengebimmel

Die letzten Tage sind wir gute Distanzen gelaufen, am Abend spüren wir jeweils die Belastung an Schultern und Füssen. Wir schätzen sehr, dass wir immer wieder in die Nähe von bewohntem Gebiet kommen und einkaufen können. Diesen Luxus hätten wir auf dem PCT nicht gehabt.


3 Kommentare

Sylvia · Juni 26, 2020 um 16:19

Ich freue mich immer, einen neuen Bericht von eurer Tour zu lesen und dass ihr auch endlich gutes Wetter habt.
Liebe Grüsse und weiterhin viel Kraft und Freude

Brigitte · Juni 26, 2020 um 10:42

Toll, i freu mi immer wieder über euri Bricht!
Und übrigens, dä seltini brun Storcheschnabel wachst au zMatzinge im Garte:-)

Pia · Juni 25, 2020 um 13:29

Super, an euren Erlebnissen teilnehmen zu können. Weiterhin gute Slowdown-Reise👍

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert