Vrhovina – Tušila / Tagesmotto: Bombenstimmung
7 1/2 h / 760 M aufwärts / 840 M abwärts / 22.7 km
Weiter gehts auf der Kiesstrasse in Richtung Ljuta. Kurz nach unserem privaten Campingplatz sind wir erstmals im Minengebiet unterwegs, nicht so das, was eine Bombenstimmung auslöst. Die Grenze zwischen der Republik Srpska und der Föderation Bosnien-Herzegowina verläuft hier und bildete im Bosnienkrieg die Front. Somit ist ab Vrhovina bis Ljuta das Biwakieren nicht zu empfehlen.
In Ljuta rechnen wir fest mit einer Pause in einem Kaffee, dies bleibt jedoch ein nettes Signet auf unserem App ohne Einkehrmöglichkeit. Schon wieder ein Stimmungsheber! Dann stärken wir uns halt mit Nüssen und frischem Quellwasser. Auf dieser Strecke sind mehrere hübsche Brunnen zu finden.
Der Weg hinauf zum Passübergang erfordert einige Klettereinlagen, nicht wie beim Wandern üblich am Fels sondern im üppigen Wald mit sehr jungem Baumbestand eher im Vitaparcours-Style über und unter Baumstämmen hindurch.
Die heutige Etappe ist recht kurz, wobei Doris immer wieder betont, dass unser Zeitgefühl für lange und kurze Touren etwas verschoben sei. Es wäre auf alle Fälle genug Zeit, um den Gipfel Visočica noch einzusammeln. Kaum lassen wir den Wald mit dem feucht-warmen Klima hinter uns, bläst uns eine giftige und vor allem unangenehm kalte Bise um die Ohren. Der Gipfel wird ersatzlos gestrichen und der heutige Tag entpuppt sich immer mehr zu einer Wundertüte mit Stimmungsdrückern.
Aber Tušila ist nah und auf der Terrasse des Gasthauses Visočica läuten wir auch ohne Gipfel den frühen Feierabend ein. Bei Bosnischem Brot mit Kaymak steigt das Stimmungsbarometer sprunghaft wieder an. Die Talsohle ist definitiv überwunden!
Eine schöne Überraschung hält die Wundertüte jedoch noch bereit: Muriel und ihre beiden VD-Wanderfreunde erreichen heute auch Tušila und natürlich verabreden wir uns zum Nachtessen. Mit Muriel aus Deutschland sind wir schon seit einigen Tagen in Kontakt, auch sie haben wir dank unserem Blog kennengelernt.
So steigt dann doch noch eine Bombenstimmung in der wirklich sehr gemütlichen Berghütte. Wir haben uns viel zu erzählen und die Zeit in der unterhaltsamen Runde verfliegt viel zu schnell. Wirklich schön, dass wir euch getroffen haben!
Tušila – Umoljani / Tagesmotto: Wer hoch hinaus will, der muss hoch hinauf
6 1/2 h / 1070 M aufwärts / 940 M abwärts / 14.2 km
Viel zu schnell ist es Morgen, ein heulender Hund in der Dämmerung signalisiert uns, dass nicht immer alles lustig ist. Aber unsere heutige Gratwanderung über den Vito wird uns bestimmt einige Gipfeljuchzer entlocken.
Bereits nach einer Stunde stehen wir Mitten im imposanten Bergkessel, unser erste Gipfel, der Vito, schon zum Greifen nah.
Ganz geschenkt ist der Aufstieg dann doch nicht, mit dem Ziel vor Augen kommen wir aber Schritt für Schritt höher.
Im Bergdorf Umoljani beziehen wir im Motel Čardak ein hübsches 3-er Zimmer und lassen uns kulinarisch mit einheimischen Spezialitäten verwöhnen.
Umoljani – Lukomir / Tagesmotto: Es ist nicht wichtig, wie langsam du gehst, solange du nicht stehen bleibst. (Konfuzius)
3 1/2 h / 590 M aufwärts / 490 M abwärts / 8.5 km
Mit dem Abstecher nach Umoljani haben wir wieder einmal eine verlängernde und für uns neue Variante eingebaut. Das zerstreute Dorf überzeugt vor allem durch seine Lage und löst schon Vorfreude aus auf unser nächstes Ziel Lukomir. Umoljani wurde im Krieg komplett zerstört, dadurch sind die Bauten eher modern. Bei unseren Gastgebern Ramiz und Pasha fühlen wir uns einfach rundum wohl, nur schon deshalb lohnt sich die Zusatzschlaufe.
Heute soll so etwas wie ein Erholungstag werden, bis Lukomir sind es nur ein paar wenige Kilometer. Doch unser Tourenplaner findet in seinem Wander-App zu unserer völligen Überraschung einen Gipfel zwischen den beiden Dörfern. Die Überschreitung wird Doris und Sonja schmackhaft untergejubelt und der Ruhetag wandelt sich zu einem malo (kleinen) Wandertag.
Kurz nach Umoljani stehen wir beim ersten Stand mit bunten handgestrickten Artikeln wie Socken, Handschuhen, Mützen usw. Bei diesen Temperaturen nicht unbedingt das, was wir am meisten vermissen.
Der Aufstieg auf den Obalj ist sehr zahm und in gemässigter Steigung, die schöne Aussicht wirkt versöhnlich und auch die Damen on tour sind glücklich mit der Alternative über den Gipfel.
Schon erblicken wir ein erstes Mal das einzigartige Lukomir von oben. Es dauert nicht mehr lange, da sitzen wir in der Bobića Konak bei Tee und Kuchen. Im letzten Herbst haben uns die Besitzer Disha und Omer vor einer heftigen Unwetternacht gerettet und wir werden sie wohl nie vergessen. Natürlich mögen sie sich auch gut an uns erinnern, haben sie doch damals erst drei Tage vor unserem Besuch ihr authentisches Guesthouse eröffnet. Zudem erzählen sie dankbar, dass unsere Empfehlung im VD-App sowie dem Blogeintrag ihnen viele Wanderer als Gäste gebracht hat.
In Lukomir scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, obwohl es ein beliebtes Ausflugsziel auch bei Einheimischen ist. Für uns ein absoluter Kraftort, hoffentlich kann diese Authentizität beibehalten werden. Obwohl wir ja auch sonst langsam unterwegs sind, reduzieren wir das Tempo gleich nochmals. Das Bergdorf liegt auf 1455 MüM und ist die höchstgelegene Siedlung des Landes. Seit rund 10 Jahren wird das Dorf im Winter nicht mehr bewohnt, denn während mehreren Wochen ist alles im Winterschlaf. Die meist ältere Bevölkerung verdient sich mit den selbsterzeugten Produkten etwas dazu und hält alte Traditionen am Leben. Unbedingt genug Zeit einplanen um ein bisschen in diesen Flow zu kommen! Hoffen wir, dass dies noch lange so bewahrt werden kann und nicht zu einem Touristenhotspot wird.
Lukomir – Mündung von Rakitnica in die Neretva / Tagesmotto: Wild und Schwein
8 h / 750 M aufwärts / 1850 M abwärts / 20.5 km
Etwas wehmütig nehmen wir den langen Weiterweg unter die Füsse, Mama Disha verdrückt sogar ein Tränchen beim Abschied, das erleichtert den Aufbruch nicht sonderlich. Auf Wiedersehen in Lukomir!
Die heutige Etappe gehört zu den Top ten der VD, abwechslungsreich, aussichtsreich, höhenmeterreich, nahe dem Himmelreich und definitiv kein Seich.
Über weite Strecken folgen wir dem Verlauf der Rakitnica-Schlucht, mehrheitlich an der Krete, mit viel Tiefblick jedoch nicht ausgesetzt. Für einmal sehen wir nicht die umgegrabenen Wiesen, sondern dessen Verursacher! Kein Wunder nehmen sie Reissaus , denn die Landwirte schätzen die Umgrabungen nicht sonderlich.
Nach rund zwei Stunden erreichen wir ein erstes Hochplateau, viel Leben scheint es hier nicht mehr zu geben. Immerhin steht noch eine Kapelle neben den diversen Bauruinen und auch eine Schafherde zieht sorglos umher.
Danach folgt ein Abschnitt durch einen wunderschönen Buchenwald und wir stehen wieder einmal am Ende der Welt hoch über der Schlucht. Es braucht etwas Pfadfindersinn um den weiteren Verlauf der Markierungen zu entdecken, denn sie entsprechen nicht den GPS-Daten des VD-Apps. Der Weg ist jedoch gut markiert und nimmt einen direkteren Verlauf, inklusive Überschreitung des unscheinbaren Gipfels Vranske stijene.
Nach dem kurzen Abstieg stehen wir Mitten in einer belebten Alpsiedlung, sehr oft kommen hier wohl keine Fremden vorbei, denn die Kinder rennen alle zu ihren Eltern in die Hütte, als sie uns erblicken. Vielleicht wäre ein Blick in den Spiegel wieder einmal fällig!
Nach dem Dorf Dubočani folgt der weiss nicht wievielte Aufstieg für heute. Als wir oben aus dem Jungwald treten, haben wir eine fantastische Sicht in die wilde Schlucht und auch auf einen grossen Teil der bereits marschierten Strecke. Immer wieder staunen wir, wie weit wir in einem Tag kommen!
Nun steigen wir in die Traverse des Hanges, wiederum hoch über der Rakitnica. Zwei leicht exponierte Stellen sind mit Drahtseilen gesichert, dennoch ist es von Vorteil, wenn es trocken ist für diesen Abschnitt. Ein absolutes Highlight!
Jetzt fehlt noch der Abstieg bis zur Mündung der Rakitnica in die Neretva, ziemlich steil und nicht überall kinderwagentauglich, wiederum durch Jungwald. Danach reicht es uns für heute, aus der Rakitnica können wir Wasser filtern und unsere Trinkwasservorräte wieder aufstocken, nicht dass es eine durstige Nacht wird.
Dieser Abschnitt ist besonders wild und wir haben wirklich Schwein. Auch wenn wir zu Dritt unterwegs sind, gehen wir oft stundenlang recht stumm und jeder in seine Gedanken und Gefühle vertieft im eigenen Tempo. Da bleibt viel Zeit um über alles nachzudenken, was schon immer Mal gedacht sein wollte. Und es wird uns immer wieder bewusst, dass wir uns unendlich glücklich schätzen dürfen, täglich neue und unvergessliche Erlebnisse zu erfahren. Das Wetter vervollständigt definitiv noch unser Glücksschwein!
Die Kulisse draussen im Nirgendwo gibt wieder einmal alles: die Sternen leuchten um die Wette, die Temperaturen sind mild und der Waldkauz unterhält uns recht energisch mit Mitternachtsgeschichten. In der Morgendämmerung übernimmt dann die aufgeregte Elster und zwar so penetrant, dass sogar das Aufstehen eine Erlösung ist.
Mündung von Rakitnica in die Neretva – Rujište / Tagesmotto: Glück am Meter
7 1/2 h / 1150 M aufwärts / 510 M abwärts / 23.3 km
Bis zur Brücke von Kasiči ist es nicht weit. Nicht nur wir sind so früh unterwegs, sondern auch mehrere Hirten mit ihren Tieren.
Nach der Brücke beginnt der Abschnitt auf dem Asphalt bis zum Boračko Jezero. Weshalb steht dort die ältere Frau mit zwei bepackten Taschen? Ah, das ist ja eine Bushaltestelle und in 10 Minuten fährt der Bus in unsere Richtung. Da müssen wir nicht lange verhandeln und alle drei sind sich einig, für die nächsten 5700 Meter wählen wir Glück.
So sitzen wir bereits um halb neun bei Nescafé auf der sonnigen Terrasse am Boračko Jezero und feiern die Montagmorgen-Pause. Wie lange dauert es wohl noch, bis auch wir wieder ein einigermassen normales Gefühl für Wochentage haben werden?
Nach einem Grosseinkauf im kleinen Dorfladen wählen wir den direkten Aufstieg in Richtung Rujište, die Schlaufe um den See kippen wir. Es gibt auch so noch ausreichend Kilometer, doch wir vernichten sie recht zügig, denn wir sind fast ausschliesslich auf Kiesstrassen unterwegs.
Auf dem höchsten Punkt versuchen wir wieder einmal eine mögliche Variante um dem Asphalt auszuweichen. Der Wanderweg geht links weg, mehrheitlich einem kleinen Strässchen entlang, in die Ebene hinunter. Aus unserer Sicht eine lohnenswerte Verlängerung von rund 1 km.
Auch wenn Tage wie diese körperlich nicht so streng sind wie auf unwegsamen Wegen, so fühlen wir doch mehrere Meter Glück, als wir in Rujište ankommen. Duschen, Essen, Trinken, Schlafen. Andere Bedürfnisse haben wir nicht.
1 Kommentar
Reini · September 7, 2021 um 09:19
Einmal mehr toll zu lesen und zu schauen. Das gibt noch Arbeit, so lange Texte mit dem Handy einzutöggelen. Danke vielmals!
Der Vito ist fast genau gleich hoch wie der Speer mit 1950m . Die sehr lange Gratwanderung würde mir auch gefallen. So gut, konntet Ihr die früheren Freundschaften / Gastbetriebe wieder besuchen. Hier jetzt endlich auch tolle Spätsommertage. Herzliche Grüsse an Euch drei!
Reini